Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat am 10. Dezember 2024 (Az. 2 Ta 5/24) eine bedeutsame Entscheidung zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern getroffen. Der Fall betraf eine Dozentin, die an einer privaten Heilpraktikerschule unterrichtete und die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft begehrte.
Das Gericht entschied, dass keine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, und verwies den Rechtsstreit an die Zivilgerichte. Diese Entscheidung beleuchtet zentrale Fragen zur Einordnung von Arbeitsverhältnissen und zu den Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht, insbesondere im Kontext von Crowdworkern und ähnlichen Tätigkeiten.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit 2013 als Dozentin an verschiedenen Standorten einer privaten Heilpraktikerschule tätig. Ihr Einsatz erfolgte über ein Online-Portal, in dem sie sich für einzelne Lehraufträge bewerben konnte. Die Schule hatte keine gesetzliche Verpflichtung, den Unterricht anzubieten, und bereitete die Teilnehmer lediglich auf eine staatliche Heilpraktikerüberprüfung vor.
Die Klägerin unterrichtete zwischen sechs und 33 Unterrichtseinheiten pro Woche und erzielte dabei einen monatlichen Verdienst von etwa 3.000 Euro. Neben dieser Tätigkeit arbeitete sie als Heilpraktikerin und betrieb eine eigene Praxis. Nach einer fristlosen Kündigung der Zusammenarbeit erhob die Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht Heilbronn mit dem Ziel, die Kündigung als unwirksam erklären zu lassen. Sie argumentierte, sie sei Arbeitnehmerin, da sie im Rahmen des Unterrichtsbetriebs weisungsgebunden und persönlich abhängig tätig gewesen sei.
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg
Das Gericht stellte fest, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand. Maßgeblich war die Frage, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin im Sinne von § 611a BGB anzusehen war. Dies erfordert eine persönliche Abhängigkeit durch Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung. Das Gericht argumentierte, dass die Klägerin ihre Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich gestalten konnte. Die Lehraufträge wurden nach eigenem Ermessen ausgewählt, und es gab keine systematische Kontrolle oder direkte Vorgaben zur Unterrichtsgestaltung.
Obwohl die Schule gewisse Rahmenbedingungen vorgab, wie beispielsweise Lehrpläne und Curricula, blieb die Klägerin in der methodischen und didaktischen Gestaltung des Unterrichts frei. Auch die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung und zur Führung von Anwesenheitslisten wurde nicht als Indiz für ein Arbeitsverhältnis gewertet, da solche Vorgaben auch in freien Dienstverhältnissen üblich sind.
Die Entscheidung hob hervor, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht mit der eines Crowdworkers vergleichbar sei. Anders als in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020, bei der ein Crowdworker aufgrund eines stark reglementierten Anreizsystems als Arbeitnehmer eingestuft wurde, gab es hier weder ein solches System noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin. Die einzelnen Lehraufträge hatten jeweils eine substanzielle wirtschaftliche Bedeutung, und die Klägerin konnte ihre Arbeit frei organisieren.
Bedeutung der Entscheidung
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg betont die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern und freien Dienstleistern. Insbesondere im Bereich der Plattformökonomie und des Crowdworkings zeigt sich, dass die Einordnung von Tätigkeiten stets eine umfassende Prüfung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen erfordert. Entscheidend ist dabei, ob der Beschäftigte persönlich abhängig ist und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden wird.
Für Unternehmen in der Bildungs- und Plattformbranche bedeutet dies, dass sie bei der Gestaltung von Vertragsverhältnissen genau auf die Rahmenbedingungen achten müssen, um eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnissen und freien Dienstverhältnissen zu gewährleisten. Zugleich verdeutlicht das Urteil, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit allein nicht ausreicht, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen.
Fazit
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg bietet eine wichtige Orientierung für Unternehmen und Arbeitnehmer, die in flexiblen und projektbasierten Strukturen arbeiten. Sie zeigt, dass auch bei regelmäßigem Einsatz und detaillierten Rahmenvorgaben keine Arbeitnehmereigenschaft besteht, wenn der Beschäftigte seine Tätigkeit frei gestalten kann. Unternehmen sollten jedoch darauf achten, klare und transparente Verträge zu formulieren, um rechtliche Konflikte zu vermeiden und die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen.
- D&O-Versicherung und das automatische Vertragsende bei Insolvenz - 23. Januar 2025
- Sozialversicherungsbeiträge im Wirtschaftsstrafrecht - 23. Januar 2025
- Jugendstrafrecht und seine Anwendung - 23. Januar 2025