Cum/Cum-Verfahren im Fokus

Zwischen Milliardenverlust und rechtlicher Aufarbeitung: Die aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag gibt einen tiefen Einblick in ein Phänomen, das bis heute weitgehend im Schatten des bekannteren Cum/Ex-Komplexes steht: Cum/Cum-Gestaltungen. Der nun offengelegte Umfang an steuerstrafrechtlich relevanten Vorgängen dürfte nicht nur Finanzpolitiker aufhorchen lassen – auch betroffene Institute und ihre Verantwortlichen sollten sich auf eine intensivere juristische Aufarbeitung einstellen.

7,5 Milliarden Euro in der Schwebe – aber nur 226 Millionen gesichert

Die Bundesregierung beziffert das Volumen der aktuell in Bearbeitung befindlichen Cum/Cum-Verdachtsfälle auf etwa 7,3 Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere 226,7 Millionen Euro aus bereits abgeschlossenen Verfahren, bei denen Kapitalertragsteuer zurückgefordert wurde. Zusammengenommen ergibt sich ein vorläufiger Schaden von rund 7,5 Milliarden Euro. Das ist beachtlich – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass nur 81 Fälle abgeschlossen sind, während sich 253 weitere noch in Bearbeitung befinden.

Zum Vergleich: Die Universität Mannheim schätzte in einer Studie den Gesamtschaden durch Cum/Cum auf bis zu 28,5 Milliarden Euro. Die Bundesregierung gibt sich hier zurückhaltend und verweist auf die Notwendigkeit detaillierter Einzelfallermittlungen zur Bestimmung des tatsächlichen Schadens.

Beteiligte und Rückstellungen – wer betroffen ist

Aus den Antworten geht hervor: Mindestens 55 Banken waren unmittelbar an Cum/Cum-Strukturen beteiligt, darunter 19 öffentlich-rechtliche Institute und 16 Genossenschaftsbanken. Auch Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften tauchen in den Daten auf. Insgesamt wurden Rückstellungen in Höhe von rund 736 Millionen Euro gebildet – teils bereits aufgelöst, teils aufgrund neuer Erkenntnisse erhöht.

Die größten Rückstellungen entfallen auf Institute in Hessen und Baden-Württemberg – ein Hinweis auf die geografische Verteilung des Phänomens, auch wenn länderspezifische Angaben nur eingeschränkt öffentlich gemacht werden können.

Strafrechtliche Dimension: Ein Einzelfall ist kein Einzelfall

Auffällig ist, wie strukturiert und wiederholt die betroffenen Vorgänge abliefen. Cum/Cum-Gestaltungen beruhen typischerweise auf dem vorübergehenden Verleihen von Aktien ausländischer Investoren an inländische Institute um den Dividendenstichtag herum – mit dem Ziel, eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zu erwirken, auf die de facto kein Anspruch bestand. Die eigentliche Dividende wird geteilt, die Steuer „kassiert“ – der Staat bleibt außen vor.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf § 36a EStG als seit 2016 wirksames Gegenmittel. Doch die Verdachtsfälle betreffen vor allem Veranlagungszeiträume vor dieser Reform, insbesondere die Jahre 2008 bis 2015 – allein 42 Verdachtsfälle entfallen auf 2014, 46 auf 2015. Das Strafrecht – und mit ihm § 370 AO – bleibt damit im Spiel.

Verjährung, Fristen und der drohende Verlust der Aktenlage

Besonders brisant: Mit der gesetzlichen Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen droht nun eine erhebliche Beweismittelvernichtung. Die Ampel-Koalition hatte diese Frist zuletzt auf acht Jahre reduziert, was dazu führen könnte, dass relevante Unterlagen für das Veranlagungsjahr 2016 bereits 2026 vernichtet werden dürfen – es sei denn, die Sonderregelung für Finanzinstitute, die eine einjährige Verlängerung vorsieht, wird nochmals überarbeitet. Zwar verweist die Bundesregierung auf die Möglichkeit der Ablaufhemmung bei Steuerhinterziehung (§ 171 Abs. 7 AO), doch ist die tatsächliche Durchsetzbarkeit ohne Akten häufig nur noch begrenzt möglich.

Steuerstrafrecht in Bewegung – und mittendrin die Betroffenen

Gerade für betroffene Banken, Fondsmanager, Vorstände und Compliance-Beauftragte zeigt sich hier die Relevanz professioneller Verteidigung: Die Aufarbeitung ist in vollem Gange, Ermittlungen laufen, Rückforderungen und Strafverfahren sind in mehreren Bundesländern anhängig. Dabei dürfte auch die öffentliche Erwartung an Konsequenzen steigen, was auf die Ermittlungsstrategien der Behörden ausstrahlen wird.

Die Behörden scheinen fest entschlossen, den Aufarbeitungsdruck zu erhöhen: 451 Planstellen sind laut Bundesregierung inzwischen bei der Sonderheit im Bundeszentralamt für Steuern eingerichtet, davon mehr als 280 im Bereich „Kapitalmarkt“. Das Informations- und Analysezentrum Kapitalertragsteuer (IAZ) ist eng mit der BaFin und der Staatsanwaltschaft Köln vernetzt – ein Indikator für einen zunehmend repressiven Kurs in der steuerstrafrechtlichen Verfolgung.

Fazit: Wer jetzt noch abwartet, riskiert mehr als sein Vermögen

Die Antwort der Bundesregierung lässt keinen Zweifel: Die Cum/Cum-Aufarbeitung hat längst die operative Phase erreicht. Auch wenn öffentlich noch nicht so viel über große Strafverfahren wie im Cum/Ex-Komplex bekannt ist – das liegt nicht an der Harmlosigkeit der Taten, sondern an der Komplexität und der noch laufenden Ermittlungen.

Für Betroffene, die sich durch frühere Kapitalmarkttransaktionen oder ihre Rolle in der steuerlichen Abwicklung mit Cum/Cum-Geschäften konfrontiert sehen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, professionelle Unterstützung zu suchen. Die Mischung aus steuerrechtlicher Aufarbeitung und strafrechtlicher Relevanz birgt erhebliche Risiken – nicht nur finanzieller, sondern auch persönlicher Natur.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Anwaltskanzlei ist spezialisiert auf Strafverteidigung, Cybercrime, Wirtschaftsstrafrecht samt Steuerstrafrecht sowie IT-Recht und Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen übernommen - wir sind im Raum Aachen zu finden und bundesweit tätig.
Rechtsanwalt Jens Ferner
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

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