Ein Signal an das Management: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 9. Mai 2017 (1 StR 265/16) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die für Geschäftsleitungen und Compliance-Verantwortliche von erheblicher Bedeutung ist: Die Etablierung eines wirksamen Compliance-Systems kann bei der Bemessung von Unternehmensgeldbußen im Ordnungswidrigkeitenrecht bußgeldmindernd berücksichtigt werden.
Dieses Urteil ist nicht nur juristisch bemerkenswert – es sendet vor allem eine klare wirtschaftliche Botschaft: Compliance rechnet sich.
Sachverhalt: Ein Panzerdeal, ein Bestechungsfall, ein Steuerdelikt
Im Zentrum der Entscheidung steht ein komplexer Sachverhalt rund um den Verkauf von Panzerhaubitzen des Typs PzH 2000 durch ein deutsches Rüstungsunternehmen an den griechischen Staat. Im Zuge dieses Geschäftes wurde eine als Beratergesellschaft auftretende GbR eingebunden, die in Wahrheit lediglich den Zugang zum damaligen griechischen Verteidigungsminister vermittelte – gegen Zahlung einer hohen „Provision“.
Der Angeklagte, ein leitender Angestellter des Unternehmens, wusste um die Bestechungsabrede und veranlasste die Begleichung der Scheinrechnung über 1,6 Millionen Euro brutto, die sodann irreführend als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht wurde. Weitere verdeckte Provisionszahlungen flossen in die Schweiz – ein klassischer Fall von Steuerhinterziehung. Die Nebenbeteiligte, also das Unternehmen selbst, wurde auf Grundlage von § 30 OWiG mit einer Geldbuße belegt.
Rechtliche Würdigung: Die Compliance als bußgeldmindernder Faktor
Die Relevanz der Entscheidung liegt vor allem in den Ausführungen des Gerichts zur Rolle von Compliance-Maßnahmen. Der BGH bestätigte zwar die Verhängung der Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte, beanstandete jedoch die mangelnde Auseinandersetzung des Landgerichts mit der Frage, ob und in welchem Umfang präventive oder reaktive Compliance-Maßnahmen eingeführt wurden – insbesondere im Nachgang zu den bekannt gewordenen Gesetzesverstößen.
Die Karlsruher Richter betonen dabei, dass Unternehmen durch organisatorische Maßnahmen – etwa durch ein effektives Compliance-Management-System – das Risiko von Rechtsverstößen deutlich reduzieren können. Und: Wird ein solches System installiert und fortentwickelt, kann dies bußgeldmindernd berücksichtigt werden. Der BGH hebt in der Entscheidung hervor, dass insbesondere die nachträgliche Implementierung wirksamer Compliance-Strukturen ein maßgeblicher Aspekt bei der Zumessung der Geldbuße sein kann.
Implikationen für das Management: Investitionen in Integrität lohnen sich
Für Geschäftsleitungen ist diese Rechtsprechung von besonderem Gewicht. Sie verdeutlicht, dass präventives Verhalten und nachträgliche Reaktionen auf Compliance-Versagen haftungsrechtlich honoriert werden können. Ein professionell organisiertes Compliance-System wirkt also nicht nur haftungsvermeidend im zivilrechtlichen Sinne, sondern reduziert auch das ökonomische Risiko von Geldbußen im Falle strafrechtlicher Relevanz.
Dabei stellt sich nicht mehr die Frage, ob Unternehmen Compliance-Strukturen schaffen sollen, sondern vielmehr, wie systematisch und wirksam diese ausgestaltet sind. Der BGH stellt ausdrücklich auf die tatsächliche Effektivität der Maßnahmen ab – bloße „Papier-Compliance“ ohne betriebliche Durchdringung genügt nicht.
Bemerkenswert ist zudem die wirtschaftsrechtliche Relevanz des Urteils: Gerade in stark regulierten Branchen – wie der Rüstungs-, Finanz- oder Pharmabranche – sind funktionierende Compliance-Systeme ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Sie schützen nicht nur vor Sanktionen, sondern erhöhen auch die Reputation gegenüber Geschäftspartnern, Behörden und Investoren.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung klargestellt: Compliance ist kein freiwilliger Luxus, sondern Bestandteil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung – mit klar messbarem monetärem Wert. Unternehmen, die sich frühzeitig strukturell absichern, können im Fall der Fälle mit Nachsicht rechnen – und verhindern schlimmstenfalls ihre wirtschaftliche Existenzgefährdung.
Schlussfolgerung
Für das Top-Management bedeutet dies: Investitionen in Compliance sind Investitionen in Risikominimierung, Rechtssicherheit und unternehmerische Stabilität. Diese Entscheidung gehört in jedes Compliance-Manual – und auf die Agenda jedes Aufsichtsrates. Denn wer heute in Prävention investiert, spart morgen an Strafen. Die Kernaussage des BGH lautet somit: Compliance ist kein Kostenfaktor – sondern ein Wertschöpfungstreiber. Und das ist eine Rechnung, die auch in der Bilanz sichtbar wird.
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