Mein Mandant war nachweislich aus der Ferne angereist und mit einem Taxi in den Niederlanden gewesen. Später wurde er mit einer harten Droge vom Zoll im Zug aufgegriffen, das Gutachten wies mehr als das 10fache des unteren Schwellenwerts der nicht geringen Menge auf. Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar, nachdem der Taxifahrer bestätigte, meinen Mandanten in die NIederlande gefahren zu haben – die Drogen müssen dort gekauft und dann nach Deutschland eingeführt worden sein. Damit ergab sich eine Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren, weswegen letztlich von der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von gut über 2 Jahren beantragt wurde. Die Einlassung des Mandanten, er habe in den Niederlanden keinen ihm genehmen Verkäufer finden können lehnte die Staatsanwaltschaft als lebensfremd ab: Der Einkauf in Deutschland ist teurer und es ist unlogisch, erst in die Niederlande zu fahren, um dann später in Deutschland den Stoff zu kaufen (Tatsächlich ist je nach Droge ein Preisunterschied von gut 50% drin).
Tatsächlich bestätigte der auf meinen Antrag hin geladene Taxifahrer allerdings, den Mandanten von den Niederlanden aus nicht zum Bahnhof sondern in die Aachener Innenstadt gefahren zu haben. Nach längerer Diskussion und den Plädoyers folgte das Gericht meiner Ansicht: Es mag unlogisch klingen, aber Drogensüchte verhalten sich nun einmal nicht logisch. Aus der Einfuhr wurde schlichter Besitz, allerdings zusammen mit einem Handeltreiben, das bei hohen Mengen gerne von Gerichten angenommen wird. Das Ergebnis: 18 Monate statt fast 2,5 Jahren. Allerdings gab es keine Bewährung, die zwei bereits laufenden Bewährungen waren nicht weg zu diskutieren.
Auch sonst muss man nicht damit leben, wenn in BTM-Prozessen die Gefahr droht, dass das Gericht seine „Lebenserfahrung“ als objektiv absolute Lebenswirklichkeit proklamiert. Letztlich ist hier mit Erfahrung und Diskussionsgeschick durchaus auch bei befremdlichen Geschehnissen etwas zu erreichen. Etwa als ein anderer Mandant berichtete, die bei ihm aufgefundenen Drogen hätte er „gefunden“ – nämlich im Strassengraben. Den Besitz der Drogen konnte man auch hier nicht wegdiskutieren – aber das angeklagte Handelttreiben. Ebenso wie in einem weiteren Fall die Einfuhr von BTM dadurch verhindert wurde, dass vom Gericht am Ende anerkannt wurde, dass der Mandant gar nicht wusste, dass er die Grenze überschreitet (freilich eine örtliche Besonderheit, die dem besonderen Fall geschuldet war).
Das Fazit: Auf Anhieb klingt so manche Darstellung obskur, abwegig – ja gar lächerlich. Tatsächlich aber ist es nichts neues, dass mitunter auch seltsame Dinge geschehen. Interessanterweise braucht man wohl professionellen Beistand, wenn man möchte, dass man mit dem gehört wird, was wirklich geschehen ist.
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