Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 13. März 2024 (5 StR 393/23) die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 9. Juli 2021 verworfen. Die Angeklagten wurden wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Angeklagte D. wurde zusätzlich wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit Besitz von Munition verurteilt. Die Revision des Angeklagten Y. beanstandete unter anderem das Verfahren hinsichtlich der Fristsetzung für Beweisanträge und die Ablehnung eines Beweisantrags.
Der BGH setzte sich in diesem Kontext ausführlich mit den Bestimmungen des § 244 StPO auseinander.
Rechtliche Analyse zu § 244 StPO
1. Fristsetzung für Beweisanträge
Der Angeklagte Y. hatte beanstandet, dass die Strafkammer eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gesetzt hatte, obwohl kein Verdacht auf Prozessverschleppung bestanden habe. Der BGH widersprach dieser Auffassung und stellte klar, dass die Fristsetzung auch ohne einen solchen Verdacht rechtmäßig sein kann. Hierzu verwies der BGH auf frühere Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122 ff.; vom 10. Januar 2024 – 6 StR 276/23, NJW 2024, 1594, 1595).
2. Angemessenheit der Frist
Eine weitere Rüge betraf die Angemessenheit der Frist. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass die Frist angesichts der langen Verfahrensdauer und der komplexen Beweisaufnahme zu kurz gewesen sei. Der BGH wies diese Rüge als unzulässig zurück, weil die Revision es versäumt hatte, den Umstand zu erwähnen, dass die Verteidiger schon lange vor der Fristsetzung wussten, dass die Beweisaufnahme bald abgeschlossen sein würde. Ohne diese Information konnte der BGH die Angemessenheit der Fristsetzung nicht prüfen.
3. Ablehnung des Beweisantrags im Urteil
Die Verteidigung rügte, dass der nach Ablauf der Frist gestellte Beweisantrag erst im Urteil beschieden wurde, was gegen § 244 Abs. 6 Satz 3 und 4 StPO und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen habe.
a) Verfahrensgeschehen
Am 171. Hauptverhandlungstag wurde eine einwöchige Frist zur Stellung von Beweisanträgen gesetzt. Ein nach Fristablauf gestellter Beweisantrag eines Verteidigers, einen Zeugen zu laden, wurde im Urteil zurückgewiesen. Der Antrag enthielt keine konkreten Angaben zur Wahrnehmungssituation des Zeugen.
b) Glaubhaftmachung gemäß § 244 Abs. 6 Satz 5 StPO
Der BGH stellte fest, dass die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, nicht glaubhaft gemacht wurden. Der Verteidiger hatte erklärt, er habe das Gespräch mit dem Zeugen schnell abgebrochen, was widersprüchlich zu seiner ursprünglichen Aussage war. Somit konnte die Strafkammer nicht die Wahrscheinlichkeit der Umstände einschätzen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht hätten.
c) Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO
Der BGH stellte fest, dass der gestellte Antrag nicht die Voraussetzungen eines Beweisantrags im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO erfüllte. Der Antrag enthielt keine ausreichenden Angaben dazu, weshalb der Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen könnte. Die Konnexität, also der Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung, war nicht hinreichend dargelegt.
4. Anforderungen an die Beweiswürdigung
Der BGH betonte, dass die Beweiswürdigung keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten soll, sondern lediglich die wesentlichen Gesichtspunkte für die Überzeugungsbildung des Gerichts darlegen muss. Eine zu umfangreiche Darstellung könne die Würdigung der Beweise nicht ersetzen und den Bestand des Urteils gefährden.
Fazit
Der Beschluss des BGH vom 13. März 2024 (5 StR 393/23) verdeutlicht die strengen Anforderungen an Beweisanträge nach § 244 StPO. Die Entscheidung zeigt, dass die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen auch ohne Verdacht auf Prozessverschleppung rechtmäßig sein kann und dass die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich machen, substantiell erfolgen muss.
Darüber hinaus wird klargestellt, dass Beweisanträge klare Angaben zur Wahrnehmungssituation des Zeugen enthalten müssen, um die Konnexität zu gewährleisten. Die Beweiswürdigung im Urteil muss sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.
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