„Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.“ Das gilt auch im juristischen Sinne, denn das bloße Schieben eines Fahrrads ist kein Führen eines Fahrzeugs i. S. d. Strafgesetzbuchs (StGB). So sieht es das Landgericht Freiburg (11/21 10 Ns 530 Js 30832/20) vollkommen zu Recht.
Zwar bedient der Schiebende sich des Lenkers. Er leitet also das Zweirad unter eigenverant wortlicher Handhabung einer seiner wesentlichen technischen Vorrichtungen durch den öffent lichen Verkehrsraum. Dennoch geht die herrschende Meinung davon aus, dass das Schieben eines Fahrrads nicht als Führen im Sinne des § 316 StGB angesehen werden kann. Denn u. a. ist die Gefahrenlage viel geringer. So führt das Landgericht aus:
Der Angeklagte hat somit sein Fahrrad nicht geführt im Sinne des § 316 StGB. Zwar bedient der Schiebende sich dafür in aller Regel des Lenkers (s. BayObLG VRS 75 127, 128), so dass das Zweirad unter eigenverantwortlicher Handhabung einer seiner wesentlichen technischen Vorrichtungen durch den öffentlichen Verkehrsraum geleitet wird. Dennoch geht die herrschende Meinung, der die Strafkammer sich anschließt, davon aus, dass das Schieben eines Fahrrads nicht als Führen im Sinne des § 316 StGB angesehen werden kann (König in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 315 c Rn. 14; zweifelnd Fischer, StGB, 68. Aufl., 2021, § 315c Rn. 3a). Die Gefahrenlage ist so viel geringer, dass es sachgerecht erscheint, einschlägige Verhaltensweisen im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Tatbestand zu eliminieren. Dafür kann stützend die Wertung der StVO, so z. B. § 25 Abs. 2 StVO, herangezogen werden, wonach die genannten Phänomene wesentlichen Regelungen des Fußgängerverkehrs unterworfen sind (König, a.a.O.).
Sich betrunken zu Fuß im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen, ist somit auch dann nicht strafbar, wenn hierbei ein Fahrrad geschoben wird.
LG Freiburg Urteil vom 26.10.2021, 11/21 10 Ns 530 Js 30832/20
Die Entscheidung ist richtig, wirft aber auch Fragen auf – etwa dazu, warum man eine Berufung führen musste, damit der Mandant verdient freigesprochen wurde. Die hiesige Praxis zeigt, dass inzwischen selbst das betrunken nach Hause gehen schon zu Problemen führen kann, etwa wenn man sich plötzlich in einer Gewahrsamszelle wiederfindet und hinterher für den unfreiwilligen Aufenthalt auch noch bezahlen soll. Das ausufernde Strafrecht wurde hier zu Recht eingebremst, dass in erster Instanz noch verurteilt wurde zeigt aber, womit man rechnen muss.
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