Selbstbefangenheit: Grundsätzlich ist es für die Befangenheit unerheblich, ob sich ein Richter für befangen hält; denn es kommt maßgeblich nicht auf dessen Sicht, sondern auf eine objektive Betrachtung der Sachlage an. Teilt der Richter dem Angeklagten aber mit, dass er ihm gegenüber voreingenommen sei, bekundet er eine innere Einstellung zum Angeklagten, die diesem – jedenfalls wenn sie mit nachvollziehbaren objektiven Umständen begründet wird – bei verständiger Würdigung Grund zur Annahme liefert, der betreffende Richter habe eine Haltung gegen seine Person eingenommen, die seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflusst (siehe BGH, 3 StR 90/17).
Bei einer bekundeten Selbstbefangenheit hinsichtlich einer Sozietät etwa, darf der Angeklagte die Sorge haben, ein Richter würde ihre ablehnende Haltung gegenüber der Sozietät auf den Angeklagten erstrecken (vgl. BGH, 3 StR 90/17); hierbei genügt die Sorge, es werde Vorbringen des Verteidigers von vornherein abwertend beurteilt (BGH, 1 StR 895/92). SO führt der BGH anlässlich einer Schöffin aus:
Ob die Schöffin tatsächlich befangen gewesen ist, ist nicht maßgebend; es genügt eine aus konkreten Um- ständen verständliche Besorgnis aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten (BGH, Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03 Rn. 18, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16 Rn. 24). Bei einer solchen Verfahrenslage hätte es nahegelegen, eine dienstliche Stellungnahme der Schöffin einzuholen (§ 26 Abs. 3 StPO), mit welcher sie die durch ihr Schreiben ausgelösten Bedenken gegebenenfalls hätte ausräumen können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 3 StR 208/12 Rn. 19 mwN; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 278/05 Rn. 10). Dadurch, dass die Selbstablehnung der Schöffin weiterhin im Raum stand, musste auch ein verständiger Angeklagter ihre Befangenheit besorgen.
BGH, 1 StR 90/20
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