Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat mit Urteil vom 18. Juli 2024 (Az. 4 U 323/24) eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen, die sowohl das Persönlichkeitsrecht als auch die Meinungsfreiheit betrifft.
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob die Nutzung des Bildnisses und Namens eines prominenten Fernsehmoderators zu werblichen Zwecken zulässig ist, wenn diese Nutzung satirisch-kritisch erfolgt. Die Entscheidung beleuchtet die komplexen Abwägungen, die bei der Kollision von Persönlichkeitsrechten mit der Meinungs- und Kunstfreiheit zu treffen sind.
Sachverhalt
Der Kläger, ein bekannter Fernsehmoderator, hatte in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ kritisch über sogenannte Bienenpatenschaften berichtet und dabei auch das Logo und einen Ausschnitt aus einer Werbung der beklagten Bio-Imkerei gezeigt.
Die Imkerei reagierte daraufhin, indem sie in ihrem Online-Shop Honigsorten unter dem Namen des Moderators („B……-Honig“) vertrieb und in einem Dresdner Supermarkt mit einem Werbeaufsteller für diesen Honig warb. Auf dem Aufsteller war das Bild des Moderators mit dem Zusatz „führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt“ abgebildet. Der Moderator verlangte die Unterlassung dieser Werbemaßnahmen. Dazu gibt es auch Berichte in den Medien.
Rechtliche Analyse
- Ereignis der Zeitgeschichte und Bildnisschutz: Das Gericht stellte fest, dass die Berichterstattung des Moderators selbst zu einem „Ereignis der Zeitgeschichte“ geworden war. Dies sei insbesondere der Fall, weil der Moderator durch seine kritische Auseinandersetzung mit den Bienenpatenschaften zum „Gesicht des Themas“ geworden sei. Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden. Das Gericht erkannte an, dass die breite mediale Rezeption der Sendung das Thema „Beewashing“ in den öffentlichen Diskurs gebracht habe, was die Nutzung des Bildnisses rechtfertige.
- Satirisch-kritische Werbeaktion und Meinungsfreiheit: Ein weiteres zentrales Element der Entscheidung war die Frage, ob die satirische Auseinandersetzung in der Werbeanzeige einen schutzwürdigen Zweck verfolgt. Das Gericht bejahte dies und stellte fest, dass die Werbung nicht allein auf die kommerzielle Verwertung des Bildnisses abzielte, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Sendung und der Person des Moderators darstellte. Damit sei ein wertender, meinungsbildender Inhalt gegeben, der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist.
- Recht zum Gegenschlag: Besonders hervorzuheben ist die Argumentation des Gerichts, dass die Imkerei ein Recht auf Gegenschlag habe. Der Moderator habe in seiner Sendung selbst das Bild des Geschäftsführers der Beklagten gezeigt, weshalb es der Beklagten erlaubt sei, auf ähnliche Weise zu reagieren. Dieses Recht auf Gegenschlag sei Teil der Meinungsfreiheit und ermögliche es, auf eine öffentliche Kritik mit vergleichbaren Mitteln zu antworten.
- Abwägung der Interessen: In der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Interesse der Beklagten an der Verbreitung der Werbung überwiege. Das Gericht führte aus, dass das Bildnis des Moderators im Kontext der Werbung keine herabsetzende oder negative Darstellung enthalte und lediglich eine ironische, satirische Auseinandersetzung mit dem Thema „Beewashing“ darstelle. Auch die Nutzung des Namens in der Online-Werbung sah das Gericht als zulässig an, da sie in einem informativen Kontext erfolgte und keine Zuordnungsverwirrung beim Verbraucher auslöste.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht die feinen Grenzen, die zwischen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Freiheit der Meinungsäußerung sowie Kunstfreiheit verlaufen. Sie stellt klar, dass Prominente, die selbst aktiv in den öffentlichen Diskurs eingreifen, auch damit rechnen müssen, Gegenstand satirisch-kritischer Auseinandersetzungen zu werden, selbst wenn dies in einem werblichen Kontext geschieht.
Unternehmen, die solche Formen der Werbung nutzen, sollten jedoch sorgfältig abwägen, ob die satirische Darstellung tatsächlich einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet oder ob sie überwiegend kommerzielle Ziele verfolgt. Die Entscheidung zeigt, dass in solchen Fällen eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, um rechtliche Risiken zu minimieren.
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