Die Weitergabe einvernehmlich erstellter Nacktbilder nach dem Ende einer Beziehung beschäftigt zunehmend die Strafjustiz. In einem aktuellen Beschluss vom 16. April 2025 (Az. 3 StR 40/25) präzisiert der Bundesgerichtshof (BGH) die Grenzen zwischen zwei tatbestandlich nahestehenden Normen: § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB, der den höchstpersönlichen Lebensbereich schützt, und § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB, der auf die Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen abzielt. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass zwischen beiden Delikten eine klare dogmatische Trennlinie verläuft – mit erheblichen Auswirkungen auf Schuldspruch und Strafzumessung.
Sachverhalt
Der Angeklagte war mit der Nebenklägerin zwischen 2017 und 2019 in einer Beziehung. In dieser Zeit übersandte sie ihm privat in ihrem Schlafzimmer aufgenommene Nacktfotos. Nach dem Ende der Beziehung, im Juni 2023, übermittelte der Angeklagte diese Fotos ohne ihre Einwilligung über soziale Medien an zwei Bekannte der Nebenklägerin: einem Bekannten zwei, einem weiteren acht Bilder. Das Landgericht Krefeld verurteilte ihn deswegen wegen tateinheitlicher Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB) sowie wegen Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen (§ 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB) in zwei Fällen. Es verhängte jeweils acht Monate Freiheitsstrafe und bildete eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Juristische Analyse
Maßgebliche Tatbestandsvoraussetzungen
Die Entscheidung des BGH beleuchtet zentral das Verhältnis der beiden genannten Normen, die zwar thematisch ähnlich gelagert sind, jedoch unterschiedliche Schutzrichtungen verfolgen. § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB sanktioniert die unbefugte Verbreitung rechtmäßig hergestellter Aufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich – mithin auch solcher, die vom Betroffenen selbst stammen. Der Tatbestand schützt nicht lediglich die räumliche Privatsphäre, sondern das Vertrauen in den Verbleib solcher Bilder im persönlichen Kontext.
§ 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB hingegen stellt nur die Herstellung und Verbreitung bestimmter Intimbilder unter Strafe, und zwar solcher, bei denen Genitalien, Gesäß oder weibliche Brust durch Kleidung oder vergleichbare Sichtbarrieren verdeckt sind. Diese Vorschrift zielt – wie ihre Entstehungsgeschichte zeigt – primär auf voyeuristische Praktiken wie Upskirting und Downblousing ab, bei denen Täter durch technische Mittel gezielt bekleidete Intimzonen abbilden.
Systematische und teleologische Abgrenzung
Der BGH grenzt die Anwendungsbereiche beider Normen strikt voneinander ab. Maßgeblich sei nicht der Inhalt des Bildes allein – also die Abbildung der genannten Körperzonen – sondern die Art der Sichtbarrieredurchdringung. Während § 201a auf die „räumliche“ Schutzsphäre („gegen Einblick geschützt“) abstelle, beziehe sich § 184k auf die „textile“ Barriere („gegen Anblick geschützt“). Dies lässt sich auch aus dem unterschiedlichen Wortsinn der Begriffe „Einblick“ (räumlich) und „Anblick“ (visuell/textil) ableiten.
Der Gesetzgeber habe mit dem 59. Strafrechtsänderungsgesetz ausdrücklich eine systematische Zweiteilung verfolgt: Während § 201a bereits den durch Räume vermittelten Sichtschutz erfasste, sollte § 184k die Lücke im Bereich der körperbedeckenden Schutzmechanismen schließen. Die Materialien (BT-Drucks. 19/17795, 19/15825 und 19/20668) belegen dies eindeutig. Eine Überschneidung sei nur dort denkbar, wo beide Schutzmechanismen gleichzeitig durchbrochen würden, etwa beim Upskirting in einem Umkleideraum.
Konsequenzen für den konkreten Fall
Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen des § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht vor. Zwar zeigten die Bilder die geschützten Körperbereiche, diese waren jedoch nicht bekleidet, sondern wurden in einem geschlossenen, privaten Raum aufgenommen. Es fehlte somit das Tatbestandsmerkmal des „gegen Anblick geschützt“. Der BGH ändert daher den Schuldspruch dahin ab, dass nur § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt ist.
Diese Korrektur hat unmittelbare Auswirkungen auf die Strafzumessung: Da das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung zweier Delikte strafschärfend berücksichtigt hatte, musste auch die Einzelstrafaussprüche und die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben werden. Die zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen konnten allerdings bestehen bleiben, da die fehlerhafte rechtliche Bewertung keine Auswirkungen auf die Beweiswürdigung hatte.

Der BGH bringt mit dieser Entscheidung rechtsdogmatische Klarheit in ein normativ diffuses Feld des Persönlichkeitsschutzes. Er betont die funktionale Differenz zwischen räumlich-privater und textil-verdeckter Intimsphäre und ordnet die jeweiligen Tatbestände konsequent ihren Schutzbereichen zu. Zugleich zeigt die Entscheidung exemplarisch, wie eng Tatbestand und Strafzumessung miteinander verflochten sind – fehlerhafte Deliktsqualifikation kann die Strafhöhe erheblich beeinflussen.
Schlussfolgerung
In der Bilanz ist die Entscheidung ein ebenso unscheinbarer wie wichtiger Beitrag zur Präzisierung digitaler Sexualdelikte und stellt sicher, dass die strafrechtliche Bewertung intimer Kommunikationsformen nicht durch inhaltliche Überschneidungen der Tatbestände verwässert wird. Der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs bleibt eigenständig und darf nicht mit dem Schutz des textilverhüllten Intimbereichs gleichgesetzt werden. Ein dogmatisch sauberer Umgang mit diesen Kategorien ist essenziell – nicht nur für die rechtsstaatliche Klarheit, sondern auch für die berechtigten Interessen der Betroffenen.
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