Zulässigkeit des Vermögensarrestes

Das Landgericht Amberg (11 Qs 25/24) hat eine Entscheidung zur Anwendung des Vermögensarrests nach der Neuregelung des § 111e getroffen. Die zentrale Frage hierbei ist, unter welchen Umständen ein zulässig ist und welche rechtlichen Standards dabei zu berücksichtigen sind. Insbesondere die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die Anforderungen an den „Arrestgrund“ stehen im Fokus der Entscheidung.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob ein Vermögensarrest zur Sicherung der Vollstreckung notwendig ist. Nach der Gesetzesänderung, die die ersatzlose Aufhebung des § 111d Abs. 2 StPO a.F. zur Folge hatte, stellt sich die Frage, wie die Anforderungen des § 111e StPO nun anzuwenden sind, insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Obermaßverbot.

Rechtliche Analyse

1. Erforderlichkeit zur Sicherung der Vollstreckung

Nach § 111e Abs. 1 StPO ist ein Vermögensarrest nur zulässig, wenn dies zur Sicherung der Vollstreckung erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit muss konkret dargelegt werden und darf sich nicht allein auf das Gewicht der zugrunde liegenden Tat stützen. Vielmehr sind alle Umstände zu würdigen, die Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung liefern könnten. Dazu zählen insbesondere:

  • Art und Umstände der Tat
  • Hartnäckigkeit und Dauer der Verfehlung
  • Maßnahmen der Tatabsicherung

Diese Bewertung muss sich stets an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit orientieren, um eine Übermaßanwendung des Vermögensarrests zu verhindern:

Die Regelung beinhaltet nach dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Motiven, dass der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum „Arrestgrund“ zu beachten sind (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 49, 76 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 163/17, NJW 2017, 3731 Rn. 15; KG, Beschluss vom 2. Juni 2020 – 4 Ws 21/20, juris Rn. 25; KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl., § 111 e Rn. 4; LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111e Rn. 11 ff., 38). Demnach kommt der nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde (s. § 917 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 6).

Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der Tatabsicherung Berücksichtigung finden. Allerdings wird allein das Gewicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten (BGH (3. Strafsenat), Beschluss vom 19.01.2021 – StB 46/20; BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 7 m.w.N.).

2. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Obermaßverbot

Die Anwendung des Vermögensarrests erfordert eine strikte Beachtung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dies bedeutet, dass die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Eine reine Gefahrenprognose genügt nicht; vielmehr bedarf es einer konkreten Gefahr, dass ohne den Arrest die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Ein solcher Arrest darf nur dann verhängt werden, wenn mildere Mittel zur Sicherung der Vollstreckung nicht ausreichen würden:

Die angeordneten Vollziehungsmaßnahmen binden vorliegend das gesamte Vermögen des Beschuldigten, das ihm noch zur Verfügung steht und das er für ganz andere, durchaus legale Zwecke dringend benötigt. Da die Arrestsumme in solchen Fällen oft nicht erreicht wird, engt dies auch die zukünftigen wirtschaftlichen Spielräume ggf. massiv ein. Dem Betroffenen wird bereits auf relativ unsicherer Tatsachenbasis und ohne seine Position zuvor verdeutlichen zu können, mittelbar angesonnen, das Vermögen, welches mangels Vorhandenseins nicht gesichert werden kann, zukünftig zum Zwecke weiterer Vollziehung des Vermögensarrests neu zu schaffen.

Belassen wird es ihm im Rahmen der Vollziehung jedoch lediglich bis zur Pfändungsfreigrenze, während diese übersteigende Beträge nur der weiteren Vollziehung des Vermögensarrests dienen. Unabhängig vom bisherigen Lebensstandard zwingt ihn eine bloß vorläufige und allein der Sicherung dienende Maßnahme, ab sofort ein Leben auf Sozialhilfeniveau zu führen. Das trifft den Adressaten viel stärker als eine und erhöht deshalb die Zulässigkeitshürden bereits vor Anordnung, weil die Belastungen aufgrund Vollziehung absehbar sind (MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl. 2023, StPO § 111 e Rn. 1-8).

Schlussfolgerung

Das LG Amberg hat klar betont, dass bei der Anordnung eines Vermögensarrests die gesetzlichen Voraussetzungen des § 111e StPO eng auszulegen sind. Es wird nicht nur eine abstrakte Gefahr, sondern eine konkrete Besorgnis der Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung verlangt. Zudem ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in allen Stadien der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Hürden für die Anordnung eines Vermögensarrests hoch sind und eine intensive Abwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist.


Ergebnis

Insgesamt bestätigt die Entscheidung des LG Amberg die restriktive Handhabung des Vermögensarrests nach § 111e StPO. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn sie zur Sicherung der Vollstreckung erforderlich ist und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Das Gericht hebt hervor, dass neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch das Obermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum „Arrestgrund“ zu beachten sind. Die Entscheidung stärkt damit die Rechte der Betroffenen und setzt klare Grenzen für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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