Wettbewerbsrechtliche Grenzen für Telemedizin mit Cannabis

OLG Frankfurt mahnt zur Zurückhaltung bei Werbung und Geschäftsmodellen rund um Medizinalcannabis: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 6. März 2025 (Az. 6 U 74/24) eine bedeutende Entscheidung zur Zulässigkeit geschäftlicher Praktiken im Umfeld medizinischer Cannabistherapien gefällt.

Im Fokus standen dabei nicht nur Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), sondern auch schwerwiegende berufsrechtliche Probleme aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Plattformbetreibern und Ärzten. Das Urteil liefert wichtige Orientierung für Anbieter digitaler Gesundheitsdienstleistungen und zeigt zugleich die engen Grenzen der werblichen Außendarstellung bei sensiblen Behandlungsmethoden auf.

Die rechtliche Einordnung

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Beklagte durch ihre Geschäftsbeziehung zu den vermittelten Ärzten an einem berufsrechtswidrigen Verhalten beteiligt war. Insbesondere die in Serviceverträgen vereinbarten Vergütungsmodelle – bei denen bis zu 79 Prozent des ärztlichen Honorars an die Plattformbetreiberin flossen – bewertete der Senat als unzulässige Gegenleistung für die Zuweisung von Patienten. Ein solches Vermittlungshonorar verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen § 31 Abs. 1 MBO-Ä und stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 3a UWG dar. Dabei genügte es dem Gericht nicht, dass die Beklagte formal als Dienstleisterin agierte; maßgeblich war die wirtschaftliche Realität einer faktischen Patientenvermittlung gegen Entgelt.

Darüber hinaus beanstandete das Gericht die Werbung für eine Fernbehandlung, bei der das „ärztliche Erstgespräch vor Ort oder digital“ angeboten wurde. Dies sei mit § 9 HWG nicht vereinbar, weil die gesetzlich erlaubte Fernbehandlung nur dann beworben werden dürfe, wenn sie dem allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht – was bei einer Cannabistherapie in der Regel nicht der Fall sei. Gerade weil es sich um eine sensible und verschreibungspflichtige Medikation handelt, sei ein persönlicher Erstkontakt unabdingbar. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass ein digitaler Einstieg in die Behandlung fachlich vertretbar sei. Die Werbung sei deshalb unzulässig und geeignet, Verbraucher in ihrer gesundheitlichen Selbstbestimmung irrezuführen.

Ein dritter zentraler Aspekt der Entscheidung betraf die Werbeaussagen der Beklagten, die nach außen hin suggerierten, es handele sich um ein medizinisches Behandlungszentrum oder ein Versorgungsunternehmen mit ärztlicher Kompetenz. Aussagen wie „Naturmedizin vom Marktführer“ oder „Algea Care: Dein Weg zur Behandlung bei unseren Ärzten“ seien geeignet, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, die Beklagte sei selbst medizinischer Leistungserbringer. Tatsächlich handelte es sich jedoch lediglich um eine Vermittlungsplattform. Diese Irreführung ist – so das Gericht – besonders gravierend, weil Patienten bei der Wahl einer medizinischen Behandlung ein hohes Maß an Vertrauen voraussetzen. Eine derartige Täuschung über den medizinischen Charakter des Anbieters sei nicht hinnehmbar und ebenfalls als unlauter im Sinne von § 5 UWG zu qualifizieren.

Im Ergebnis bejahte das OLG Frankfurt sowohl Unterlassungsansprüche der Wettbewerbszentrale als auch die Pflicht zur Zahlung der Abmahnkosten, selbst bei nur teilweise berechtigter . Die Plattformbetreiberin darf nun weder die irreführenden Aussagen wiederholen noch Verträge mit unzulässigen Provisionsmodellen umsetzen oder Fernbehandlungen in dieser Form bewerben.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt setzt ein deutliches Signal: Anbieter digitaler Gesundheitsleistungen, insbesondere im Bereich medizinischen , müssen ihre Geschäftsmodelle und Werbemaßnahmen streng an berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben ausrichten.

Es reicht nicht, sich formal als Servicedienstleister zu präsentieren – entscheidend ist, wie der angesprochene Verkehr die Angebote versteht und welche wirtschaftliche Realität dahinter steht. Die Kernaussage lautet: Plattformmodelle in der Medizin dürfen die Grenzen des rechtlich Zulässigen nicht durch suggestive Werbung oder verdeckte Vergütungskonstruktionen unterlaufen. Wer das Vertrauen der Patienten gewinnen will, muss sich rechtlich sauber positionieren.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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