Der §97a II UrhG ist derzeit aus verschiedenen Gründen ein Dauerbrenner bei Diskussionen rund um die Kosten einer urheberrechtlichen Abmahnung, speziell bei Filesharing-Abmahnungen. Dabei gibt es einen Aspekt, der mir zur Zeit zu kurz kommt und den man ansprechen muss: Die zeitliche Geltung. Insbesondere, nachdem dies nun vom Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden wurde.
Das Problem
Die Frage ist scheinbar einfach: Am 1.9.2008 ist der §97a UrhG in der jetzigen Fassung wirksam geworden. Doch bei der Frage, ob er Anwendung findet, gibt es verschiedene Angriffspunkte, von denen für die jeweils streitende Partei am Ende zwei sicherlich relevant sein werden:
- Soll er generell ausgeschlossen sein, wenn die Rechtsverletzung vor dem 1.9.2008 erfolgte?
- Soll er generell Anwendung finden, wenn die Abmahnung nach dem 1.9.2008 erfolgt?
Bisherige Rechtsprechung
Beide Punkte fanden sich in der früheren Rechtsprechung: Das LG Köln (28 O 889/08) – ausdrücklich bestätigt vom OLG Köln (6 U 101/09) – stellt darauf ab, wann die Rechtsverletzungen vorgenommen wurden. Argument dabei: Eine Rückwirkung des §97a II UrhG wurde im Gesetz nicht ausdrücklich vorgenommen und ist somit nicht anzunehmen. Das AG Halle a. Saale (95 C 3258/09) dagegen geht ausdrücklich davon aus, dass es auf den Ausspruch der Abmahnung zeitlich ankommt, was mir auch systematisch zugänglicher erscheint: Es soll ja anteilig der „Ersatz der Aufwendungen“ auf 100 Euro beschränkt werden. Wenn man sich am Wortlaut orientiert, geht es also um die tatsächlich erfolgten Aufwendungen, insofern wäre es vielleicht der Königsweg, weder die Rechtsverletzung noch die Aussprache der Abmahnung, als vielmehr den Zeitpunkt konkreter Tätigkeitsaufnahme durch den Rechtsanwalt zu Betrachten.
Noch weiter geht übrigens das OLG Brandenburg (6 U 58/08), das den §97a II UrhG umgehend auf sämntliche Fälle anwenden möchte, auch wenn Abmahnung und Rechtsverletzung vor dem Inkrafttreten vorgefallen sind.
Gesetzesbegründung
Der Blick in die Begründung zum Gesetz bringt leider keinerlei Erhellung, auch wenn festzustellen ist, dass durchweg nur von der Aussprache der Abmahnung die Rede ist. Dies legt einerseits eine Lesart entsprechend dem AG Halle a. Saale nahe, grenzt andererseits aber schon an Kaffeesatzleserei. Ähnlich sehe ich es mit Blick auf ein Urteil des BGH (I ZR 219/05, „Clone-CD“), das festgestellt hat, dass auf eine vor Inkrafttreten des §97a UrhG ausgesprochene Abmahnung dieser keine Anwendung findet. Allerdings war zum Zeitpunkt des Urteils der §97a UrhG immer noch nicht in kraft getreten und man kann die wenigen Sätze durchaus so lesen, als wäre der BGH geneigt gewesen, den §97a UrhG auch auf diese frühere Abmahnung anzuwenden.
Klarstellung des BGH
Allerdings hat der Bundesgerichtshof (I ZR 145/10) nunmehr ausdrücklich auch für den §97a UrhG entschieden:
Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 17 = WRP 2010, 1495 – Vollmachtsnachweis; Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 29 = WRP 2011, 881 – Sedo). Zu diesem Zeitpunkt war § 97a UrhG noch nicht in Kraft getreten.
Damit steht mit dem BGH nunmehr ausdrücklich fest, dass die Kostendeckelung des §97a UrhG ausschliesslich bei urheberrechtlichen Abmahnungen Anwendung finden kann, die ab dem 1. September 2008 ausgesprochen wurden!
Ausgesuchte Entscheidungen zum §97a II UrhG:
- LG München I, 21 O 8276/08
- Brandenburgisches Oberlandesgericht, 6 U 58/08
- LG Köln, 28 O 889/08
- LG Berlin, 16 O 433/10
- LG Hamburg, 308 O 710/09
- AG Frankfurt a.M., 30 C 2353/09-75
- AG Hamburg, 36a C 149/09
- AG Halle/Saale, 95 C 3258/09
- AG München, 142 C 14130/09
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