Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Zuschauer

Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln (2 Ws 379/24) befasst sich mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Zuschauer während einer strafrechtlichen . Das Ordnungsgeld wurde gegen den Vater des Angeklagten verhängt, der während der Urteilsverkündung wiederholt den Vorsitzenden unterbrach und das Verfahren störte.

Was ist ein Ordnungsmittel?

Ein Ordnungsmittel, wie ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft, wird gemäß §§ 178 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) verhängt, um die Ordnung in einer Gerichtsverhandlung aufrechtzuerhalten. Es richtet sich gegen Personen, die durch ihr Verhalten den ordnungsgemäßen Ablauf der Verhandlung stören, sei es durch ungebührliches Verhalten, Beleidigungen oder andere störende Handlungen. Das Gericht kann ein solches Ordnungsmittel verhängen, um sicherzustellen, dass die Würde und Autorität des Gerichts gewahrt bleiben.

Probleme in diesem Fall

In diesem Fall lagen mehrere Probleme vor:

  1. Unzureichende Protokollierung: Das Hauptverhandlungsprotokoll gab nicht ausreichend Auskunft über den genauen Sachverhalt, der zur Verhängung des Ordnungsgeldes führte. Die Protokollierung war so vage, dass sie dem Beschwerdegericht nicht ermöglichte, den Vorfall und die Verhältnismäßigkeit des Ordnungsgeldes vollständig zu überprüfen.
  2. Verweigerung des rechtlichen Gehörs: Der Beschwerdeführer erhielt kein rechtliches Gehör, bevor das Ordnungsgeld verhängt wurde. Dies ist normalerweise erforderlich, es sei denn, der Betroffene wurde zuvor gewarnt und das Ordnungsgeld wurde ihm angedroht.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln bestätigte das Ordnungsgeld trotz der formellen Mängel, da der Beschwerdeführer sein Verhalten, das zur Verhängung des Ordnungsgeldes führte, nicht bestritt. Das Gericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer durch seine wiederholten Unterbrechungen der Urteilsverkündung die Ordnung in der Sitzung erheblich gestört hatte. Auch wenn das Protokoll nicht den Anforderungen des § 182 GVG entsprach, konnte das Gericht auf den Nichtabhilfebeschluss zurückgreifen, um den Sachverhalt ausreichend zu klären.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine Ungebühr darstellte, die den Ablauf der Sitzung störte und die Autorität des Gerichts untergrub. Daher war die Verhängung des Ordnungsgeldes gerechtfertigt und der Höhe nach verhältnismäßig. Ebenso war die fehlende Anhörung unschädlich:

Auch führt es nicht zur Aufhebung des Beschlusses, dass dem Beschwerdeführer ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls und der Angaben des Strafkammervorsitzenden in seinem Nichtabhilfebeschluss vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Zwar ist dies im Regelfall erforderlich (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; Schmitt, a.a.O., § 178 GVG Rn. 13 m.w.N.; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 45 m.w.N.; Diemer, a.a.O., § 178 GVG Rn. 7 m.w.N.) und kann ein Verstoß hiergegen im Beschwerdeverfahren auch nicht nachträglich geheilt werden (SenE v. 07.05.2008, 2 Ws 223/08; OLG Nürnberg, a.a.O.; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 47, § 181 Rn. 17; Diemer, a.a.O.).

Allerdings sind Ausnahmen von der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln anerkannt. Eine solche besteht unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war (vgl. SenE v. 07.05.2008, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.08.2003, 3 W 41/03; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 46; Allgayer in BeckOK-GVG, 23. Edition, Stand: 15.11.2023, § 178 Rn. 7). Das ist vorliegend der Fall.

Soweit der Beschwerdeführer dies pauschal in Abrede stellt, hat der Senat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der dahingehenden Angaben des Hauptverhandlungsprotokolls und der Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss zu zweifeln. Denn insbesondere dem nicht nur von dem Strafkammervorsitzenden selbst, sondern auch dem Urkundsbeamten verantworteten Hauptverhandlungsprotokoll kommt – auch wenn § 274 insoweit nicht anwendbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.03.1988, 1 Ws 170/88; OLG Hamm, a.a.O.; vgl. auch Schmitt, a.a.O., § 182 Rn. 2) – erhebliche Beweiskraft zu. Diese ist durch das einfache Bestreiten des Beschwerdeführers ohne eigene Sachverhaltsschilderung nicht erschüttert worden. Vor diesem Hintergrund bestand zu weitergehenden Beweiserhebungen hierzu kein Anlass.

Conclusio

Dieser Fall zeigt die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Protokollierung in Gerichtsverfahren, insbesondere wenn Ordnungsmittel verhängt werden. Trotz der formellen Mängel war das Verhalten des Beschwerdeführers eindeutig ungebührlich, was die Entscheidung des Gerichts rechtfertigte. Der Fall verdeutlicht auch, dass ein Gericht in Ausnahmefällen auf andere Quellen als das Protokoll zurückgreifen kann, um die Rechtmäßigkeit eines Ordnungsmittels zu prüfen, sofern das Verhalten des Betroffenen unbestritten bleibt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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