Verfahrensverzögerung im Strafprozess

Eine Verfahrensverzögerung im Strafprozess muss – sofern sie rechtsstaatswidrig erfolgt ist – zu einer Kompensation führen in Form der Anrechnung bei der ausgesprochenen Strafe. Richtigerweise spricht man insoweit von einer „Kompensation für einen Konventionsverstoß“.

Insoweit gilt, dass nach Eingang der Akte bei Gericht das Gebot zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachten ist.Gerne verweisen die inzwischen regelmässig überlasteten Kammern bei den Landgerichten darauf, dass man „mit zahlreichen vorrangig zu behandelnden Haftsachen stark belastet“ sei, was insbesondere diejenigen trifft, die nicht in Haft sitzen. Selbst wenn man weiss, dass eine ohne ernsthaft zu erwarten ist, muss man dann teilweise Jahre darauf warten, bis endlich Klarheit herrscht – um danach auch noch in der JVA einzusitzen. So wird proaktiv verhindert, dass über einen Zeitraum der dem vielfachen der Freiheitsstrafe entsprechen kann, kein geordnetes Leben mehr möglich ist.

Man sollte nicht zu viel erwarten, die Kompensation ist angesichts der Jahre die man an Lebenszeit verliert nicht der Rede wert – regelmässig sind es 1-2 Monate die man als Kompensation erhält bei Verzögerungen bis zu zwei Jahre.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Der betont dabei, dass alleine der Umstand, dass sich ein Angeklagter nicht in Haft befunden hat, es nicht rechtfertigt, eine beim Landgericht anhängige Strafsache lange Zeit unbearbeitet zu lassen, wobei „lange Zeit“ jedenfalls bei 2 Jahren aufwärts beginnen dürfte (bei 18 Monaten auch schon, siehe BGH 1 StR 132/20). Der BGH führt insoweit exemplarisch aus:

Dass die Akte beim Amtsgericht offenbar zeitweise in „Abraum“ geraten ist, wie das Landgericht feststellt, ist ein allein in die Sphäre der Justiz fallender Umstand, der nicht zu Lasten des Angeklagten gehen darf. Darüber hinaus ist die Sache fast zwei Jahre beim Landgericht nicht bearbeitet worden, weil die zuständige Schwurgerichtskammer aufgrund der hohen Belastung mit vorrangig zu behandelnden Haftsachen nicht früher verhandeln konnte. Dies begründet – entgegen der Ansicht des Landgerichts – schon mit Blick auf die lange Zeit der Untätigkeit das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung, die im Wege der Vollstreckungslösung auszugleichen ist. Dass sich der Angeklagte nicht in Haft befunden hat, rechtfertigt es nicht, eine beim Landgericht anhängige Strafsache eine solch lange Zeit unbearbeitet zu lassen. Sollte vor dem Ablauf von zwei Jahren für die zuständige Strafkammer keine Möglichkeit bestanden haben, die Sache zu verhandeln, hätte dies dem Präsidium des Landgerichts mitgeteilt werden müssen, damit dieses zur Beachtung des Beschleunigungsgebots Abhilfe schafft.

BGH, 2 StR 523/14

Soweit sich der entsprechende Verfahrensgang bereits aus den Urteilsgründen selbst ergibt ist er schon auf die Sachrüge zu berücksichtigen (BGH, 1 StR 308/15).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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