Das Kammergericht Berlin hat am 29. August 2024 (Az. 10 U 168/22) eine Entscheidung zum postmortalen Geltungs- und Achtungsanspruch getroffen. Die Mutter einer Verstorbenen hatte einen ehemaligen Lebensgefährten ihrer Tochter verklagt und forderte Unterlassung von Äußerungen, die dieser in einem Interview nach dem Tod ihrer Tochter über sie gemacht hatte. Die Klägerin argumentierte, die Äußerungen verletzten das postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter.
Sachverhalt
Der Beklagte, ein bekannter Fußballspieler, führte eine Beziehung mit der Verstorbenen und machte nach der Trennung in einem Interview verschiedene Aussagen über sie, die auf der Webseite eines Boulevardmediums veröffentlicht wurden. Die Klägerin, die Mutter der Verstorbenen, sah darin eine Verletzung des postmortalen Geltungs- und Achtungsanspruches ihrer Tochter und forderte Unterlassung dieser Äußerungen.
Die umstrittenen Aussagen betrafen Vorwürfe, dass die Verstorbene die Beziehung des Beklagten und seiner Ex-Freundin zerstört, ihn erpresst und mit falschen Social-Media-Profilen Lügen verbreitet habe. Zudem wurde behauptet, sie habe Alkoholprobleme gehabt.
Rechtliche Analyse
Das Kammergericht stellte fest, dass die streitgegenständlichen Äußerungen den postmortalen Geltungs- und Achtungsanspruch der Verstorbenen nicht verletzen. Es führte aus:
- Postmortaler Achtungsanspruch: Dieser schützt die Würde eines Verstorbenen vor groben Herabwürdigungen und Erniedrigungen. Es wurde festgestellt, dass die Aussagen des Beklagten nicht so schwerwiegend waren, dass sie die Menschenwürde der Verstorbenen verletzten. Die Begriffe wie „erpresst“ oder „zerstört“ seien umgangssprachlich und nicht strafrechtlich gemeint und somit keine herabwürdigenden Aussagen.
- Fehlender Geltungsanspruch: Ein postmortaler Geltungsanspruch schützt das fortwirkende Ansehen einer Person aufgrund ihrer Lebensleistung. Das Gericht entschied, dass die Verstorbene kein solches „Lebensbild“ hinterlassen habe, das diesen Schutz rechtfertigen würde. Ihre Teilnahme an Schönheitswettbewerben und ihre Tätigkeit als Fitness-Influencerin reichten nicht aus, um von einem besonderen öffentlichen Ansehen zu sprechen.
- Meinungsfreiheit: Viele der beanstandeten Äußerungen wurden als Meinungsäußerungen gewertet, die durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind. Diese seien nicht hinreichend intensiv, um eine Verletzung des Achtungsanspruches zu begründen.
Fazit
Das Kammergericht wies die Klage der Mutter der Verstorbenen ab, da weder der postmortale Achtungs- noch der Geltungsanspruch der Verstorbenen durch die Äußerungen des Beklagten verletzt wurde. Die Entscheidung verdeutlicht die Abwägung zwischen postmortalen Persönlichkeitsrechten und der Meinungsfreiheit sowie die besonderen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um einen postmortalen Geltungsanspruch zu begründen.
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