Gemäß § 10 Abs. 1 PatG stellt das Anbieten und/oder Liefern eines wesentlichen Bestandteils der Erfindung nur dann eine mittelbare Patentverletzung dar, die die Rechtsfolgen der §§ 139 ff PatG auslöst, wenn der Verletzer weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass dieses Mittel dazu geeignet und bestimmt ist, im Rahmen der geschützten Lehre verwendet zu werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf, 15 U 57/22, hatte Gelegenheit, sich mit dieser Frage näher zu befassen.
Grundsätzlich sind in einem solchen Fall zwei Alternativen eröffnet, um das vom gesetzlichen Tatbestand geforderte subjektive Moment zu begründen. Entweder hat der Dritte Kenntnis davon, dass der Abnehmer die Mittel zum patentgemäßen Gebrauch bestimmt hat, oder es ist aus der Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten („naheliegend”), dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zum patentverletzenden Gebrauch bestimmt (BGH, GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Kenntnis und Offensichtlichkeit sind damit zwei Wege zur Feststellung eines Sachverhalts, der es – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung – rechtfertigt, dem Dritten die im Angebot oder der Lieferung liegende objektive Gefährdung des Ausschließlichkeitsrechts des Patentinhabers auch subjektiv als Verletzungshandlung zuzurechnen (vgl. auch OLG Düsseldorf, I-15 U 52/19).
Ob ein Mittel zur Benutzung der Erfindung „bestimmt“ ist, wird nicht nach objektiven Kriterien beurteilt, sondern hängt vom subjektiven Willen des Angebotsempfängers oder des Belieferten ab. Denn die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung ist ein Umstand, der in der Sphäre des Abnehmers liegt, der die alleinige Verfügungsgewalt über den gelieferten Gegenstand hat und daher allein entscheiden kann, wie das ihm angebotene und/oder gelieferte Mittel verwendet wird. Er setzt daher einen entsprechenden Handlungswillen des Angebotsempfängers oder Belieferten im Zeitpunkt der Vornahme der mittelbaren Patentverletzung durch den Anbietenden oder Liefernden voraus (vgl. auch OLG Düsseldorf, I-2 U 34/21, I-15 U 39/14 und I-2 U 93/12).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendungsabsicht des Abnehmers liegt nach allgemeinen Grundsätzen beim Kläger. Da dieses Tatbestandsmerkmal schwer darzulegen und zu beweisen ist, kann § 10 Abs. 1 PatG entnommen werden, dass es für den Nachweis des Handlungswillens des Abnehmers und des Wissens und Wollens des Anbietenden oder Liefernden ausreicht, wenn die Bestimmung der Mittel zum unmittelbar patentverletzenden Gebrauch – im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung – nach den Umständen nahe liegt. Dies ist der Fall, wenn bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Anbietenden oder Liefernden die hinreichend sichere Erwartung besteht oder bestehen muss, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmt.
Dabei kann das Verletzungsgericht auf objektive Anhaltspunkte und Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgreifen. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der Grad der Eignung des Mittels für den patentgemäßen und für andere, patentfreie Zwecke, die übliche Verwendung und die Anwendungshinweise des Lieferanten. So ist eine Zweckbestimmung – abgesehen von den Fällen ausschließlich patentgemäß verwendbarer Mittel – regelmäßig zu bejahen, wenn der Lieferant in einer Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung o.ä. auf die Möglichkeit der patentgemäßen Verwendung hinweist oder diese sogar empfiehlt. Gleiches kann gelten, wenn ein Mittel nach seiner technischen Beschaffenheit und Zweckbestimmung auf eine zu einer Patentverletzung führende Verwendung zugeschnitten ist und für eine entsprechende Verwendung angeboten wird. Kann das Mittel sowohl patentgemäß als auch patentfrei verwendet werden, kommt es auf den Inhalt der Gebrauchsanweisung o.ä. an.
In diesem Zusammenhang können auch Vorkehrungen des Anbieters oder Lieferanten von Bedeutung sein, aus denen sich ergibt, dass er das Mittel nicht für eine Verwendung im Zusammenhang mit der patentierten Erfindung anbietet oder liefert. Solche Vorkehrungen können etwa Warnhinweise sein, die geeignet und ausreichend sind, die hinreichend sichere Erwartung zu begründen, dass Patentverletzungen in Zukunft unterbleiben werden. Macht der Anbietende oder Liefernde solche Warnhinweise, kann eine Benutzungsvorschrift nicht mehr ohne weiteres angenommen werden.
Vielmehr müssen dann weitere Tatsachen hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Angebotsempfänger oder Abnehmer die Warnhinweise missachten oder nicht beachten werden. Als weitere geeignete Maßnahme kann im Einzelfall auch der Abschluss einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung mit dem Abnehmer bzw. Belieferten in Betracht kommen, ggf. verbunden mit der Zahlung einer Vertragsstrafe an den Schutzrechtsinhaber für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsvereinbarung. Welche Maßnahmen im Einzelfall geboten und angemessen sind, hängt von den jeweiligen, vom Tatrichter zu würdigenden Umständen ab, wobei insbesondere von Bedeutung ist, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer patentgemäßen Benutzung ist, welche Vorteile damit verbunden sind und wie die Beweismöglichkeiten des Schutzrechtsinhabers einzuschätzen sind.
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