Das LG Köln (28 O 421/10) hat sich wieder einmal mit einem Streit um eine Filesharing-Abmahnung beschäftigt. Und wieder einmal ging es für den Abgemahnten ganz Übel aus. Das übliche in Kürze: Der Anschlussinhaber – es wurde nicht geklärt, wer Täter war – wurde zur Übernahme der Anwaltskosten verurteilt. Im Kern ging es um über 600 Euro, getauscht wurde ein Software-Spiel. Und die Deckelung auf 100 Euro greift ohnehin nicht, kennt man ja auch. Das LG Köln dazu:
Bei der Einstellung eines Computerspiels kann angesichts des erheblichen Aufwandes, der bei der Programmierung und Vermarktung eines Computerspiels betrieben wird und der Gefahr der Nachahmung […] nicht von einer qualitativen Unerheblichkeit gesprochen werden.
Beeindruckend, dass jetzt schon nicht mehr auf die (un)erheblichkeit der handlung des Filesharers, sondern verklausuliert auf das (vom §101 UrhG bekannte) gewerbliche Ausmaß abgestellt wird.
Interessant ist die Entscheidung für mich aber unter einem anderen Blickwinkel. Das Landgericht beackert natürlich, aus Köln gewohnt, warum der Anschlussinhaber voll für den Rechtsbruch einsteht. Die Frage ist hier, welche Prüfpflichten der Anschlussinhaber hat – insoweit ja nichts neues. Gerichte, speziell im Raum Köln, verlangen dabei immer eine „Firewall“ und verweisen auf „Portsperren“. Nun lag beim LG Köln die Besonderheit vor, dass eine Portsperre eingerichtet war, lediglich Port 80 war nutzbar. Dazu meint das LG Köln nun:
Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.
Nachdem man also über Jahre hinweg von Portsperren fabuliert hat und nun jemanden vor sich sitzen hat, der eine solche Portsperre eingerichtet hat, soll das dann auch nicht mehr reichen. Am Rande sei bemerkt, dass kurz vorher wieder etwas von „Firewalls“ zu lesen ist. Ich bin gespannt, wann die Richter in Köln endlich einmal erklärt bekommen, dass Firewalls, bei denen man Tauschbörsenprogramme „sperrt“ (viele Produkte habe hier entsprechende Auswahlflächen) im Regelfall auch nur bestimmte Ports sperren. Man landet also wieder bei obiger Argumentation. Und letztlich ist der gesamte Ansatz nonsens, da man bei P2P-Software problemlos auswählen kann, welcher Port genutzt wird – und den Port 80 (den nutzt man übrigens für das HTT-Protokoll, also zum Abrufen von Webseiten) kann man da problemlos auswählen.
Das LG Köln hat nun endgültig klar gemacht: Es gibt, zumindest innerhalb von Familien, keinen Schutz der gerichtlich anerkannt wird. Natürlich, die Argumentation des LG Köln ist noch nicht ausgeschöpft: Man könnte noch vortragen, dass die Konfiguration (etwa des Routers) mit einem individuellen Passwort gesichert war, dass nur einer Person bekannt war. Ich wette aber, man wird im Zuge der sekundären Darlegungslast verlangen, dass diese Person vor Gericht darlegt, dass das Passwort sicher ausgewählt und aufbewahrt. Und selbst wenn das eintritt, wird spätestens dann dem LG Köln einfallen, dass eine Portsperre ohnehin nutzlos ist. So oder so: Nach einer Filesharing-Abmahnung trifft es den Anschlussinhaber vor dem LG Köln hart.
- Operation „Final Exchange“: Schlag gegen Cyberkriminellen-Szene rund um Kryptowährungen - 10. Oktober 2024
- Captagon im deutschen Strafrecht: Ein Überblick - 8. Oktober 2024
- Perfctl: Neue, heimtückische Malware, die Millionen von Linux-Servern bedroht - 7. Oktober 2024