Keine Addition von Mengen: Entscheidung des BGH zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“ bei Betäubungsmitteln und Cannabis

Am 15. Mai 2024 hat der (BGH) eine wegweisende Entscheidung zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“ bei Betäubungsmitteln und getroffen (Az.: 6 StR 73/24). Die Kernfrage war, ob die Menge der Drogen gemäß Betäubungsmittelgesetz () und die Menge von Cannabis nach dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) zusammengezählt werden können, wie es früher üblich war – dies wurde verneint. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafverfolgung und die rechtliche Bewertung des Drogenhandels.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall führte der Angeklagte am 12. März 2023 3,96 Gramm und 13,18 Gramm bei sich. Am 13. April 2023 wurde er mit 18,63 Gramm Kokain und 367,3 Gramm Marihuana erwischt. Ein Teil dieser Drogen war zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.

Rechtliche Analyse

Die Entscheidung des BGH basiert auf der neuen gesetzlichen Grundlage, die am 1. April 2024 in Kraft trat. Mit dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) wurde Cannabis aus dem Anwendungsbereich des BtMG entfernt und der Umgang damit separat geregelt.

Der BGH stellte dann klar, dass eine Addition der Mengen von Betäubungsmitteln und Cannabis zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“ gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ausgeschlossen ist. Diese Trennung bedeutet, dass Cannabis und andere Betäubungsmittel unabhängig voneinander betrachtet werden müssen.

Eine Addition von Betäubungsmitteln und Cannabis zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“ im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und anderer Regelungen ist damit ausgeschlossen (vgl. zur früheren Rechtslage BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 6 StR 242/23, NStZ-RR 2024, 22 mwN).

Der für den Handel vorgesehene Teil des Kokains erreichte mit einem Wirkstoffgehalt von 4,8 Gramm den maßgeblichen Grenzwert von fünf Gramm (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1985 – 2 StR 685/84, BGHSt 33, 133) nicht. Folglich hat sich der Angeklagte, soweit es den Umgang mit dieser Droge betrifft, allein nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 in Tateinheit mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 BtMG strafbar gemacht; eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 Variante 1 (in Tateinheit mit § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4) BtMG scheidet nach neuer Rechtslage aus.

Zudem hat der Angeklagte die Tatbestände aus § 34 Abs. 4 Nr. 4 Variante 1 und § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KCanG verwirklicht. Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 Variante 1 KCanG beträgt auch nach neuer Rechtslage 7,5 Gramm (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24, Rn. 7 ff.) und ist damit überschritten.

Maßgebliche Grenzwerte

Für die Bestimmung der „nicht geringen Menge“ gelten unterschiedliche Grenzwerte:

  • Für Kokain ist ein Wirkstoffgehalt von fünf Gramm maßgeblich, der in diesem Fall mit 4,8 Gramm nicht erreicht wurde.
  • Für Tetrahydrocannabinol (THC) beträgt der Grenzwert 7,5 Gramm, welcher im vorliegenden Fall mit 37,3 Gramm deutlich überschritten wurde.

Auswirkungen und Fazit

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Konsequenzen für die Strafverfolgung im Bereich des Drogenhandels. Durch die klare Trennung zwischen Betäubungsmitteln und Cannabis wird die rechtliche Bewertung präziser und verhindert eine Vermischung der Wirkstoffmengen, die früher noch üblich gewesen ist. Dies stärkt die Rechtssicherheit und gewährleistet eine differenzierte Betrachtung von Drogenvergehen.

Betroffene und deren Verteidiger müssen sich auf diese neue Rechtslage einstellen und die spezifischen Grenzwerte für die verschiedenen Substanzen genau beachten. Für die Justiz und Strafverfolgungsbehörden bedeutet dies eine Anpassung der bisherigen Praxis und eine sorgfältige Überprüfung der jeweiligen Tatbestände.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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