IQ „von ungefähr 50“ – trotzdem (teilweise) Schuldfähig?

Was mitunter zum kommt, hinterlässt mich schlicht fassungslos: Der BGH (5 StR 240/10) musste nun ein Urteil aufheben, in dem es um einen Menschen mit diesen Eigenschaften ging:

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils leidet der 27 Jahre alte Angeklagte unter Schwachsinn (IQ „von ungefähr 50“) und verfügt über keine „so genannten kulturbedingten Fertigkeiten wie Rechnen, Schreiben und Lesen“ (UA S. 15). Sein eigenes Alter kann er nicht nennen, die Wochentage und die Monate des Jahres nicht aufzählen. Mit der geistigen Behinderung gehen deutliche Verhaltensauffälligkeiten einher; da der Angeklagte nicht über soziale Kompetenz verfügt und kaum in der Lage ist, sich verbal verständlich zu machen, wählt er andere Kommunikationsformen, insbesondere seine Körperkraft. Er ist emotional instabil, leicht zu provozieren und reagiert auf jegliche Reize spontan und impulsiv. Er agiert intuitiv, bedürfnis- und erlebnisorientiert. „Dabei ist er nicht in der Lage, Ursache und Wirkung seines Verhaltens zu erkennen und auseinander zu halten“

Das Landgericht Kiel befand, der Angeklagte sei zumindest teilweise schuldfähig (es ging um , , ) und erkannte auf eine Haftstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten. Wie man überhaupt auf die Idee gekommen ist, eine teilweise Schuldfähigkeit zu sehen, ergibt sich aus dem BGH-Urteil, wenn dort zu lesen ist, der Angeklagte habe einen späteren zeugen zu überreden versucht, “Schmiere zu stehen” bei seiner Tat. Wer so etwas verlangt, der sieht auch das Unrecht zur Tatzeit zumindest in Teilen, so die Logik. Dass man bei dieser Entscheidung gleich noch die Aussagen des Sachverständigen über den Haufen wirft, überrascht da dann auch nicht mehr; der BGH dazu:

Zum anderen sind die Feststellungen zur Steuerungsfähigkeit des Angeklagten widersprüchlich und weisen auf deren Ausschluss hin.

Es dürfte, neben der ausdrücklichen Feststellen der Willkür, kaum eine peinlichere Rückgabe für ein Landgericht geben.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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