Hinweis: Das neue Polizeigesetz in NRW

Bereits am 3. Februar 2010 hat der Landtag in NRW Änderungen des Polizeigesetzes beschlossen. Interessant ist, aus rechtspolitischer Sicht, ein Wandel: Während die Polizei in NRW bisher Verbrechen vorbeugen („vorsorgen“) sollte, wandelt sich die Sprache nun – gesprochen wird von der „vorbeugenden bekämpfung“ von Straftaten. Ob dieser aggressive Jargon des Feindstrafrechts bei einem Polizei-Gesetz angemessen ist, bleibt fraglich und stimmt kritisch. Eine kurze Darstellung der wesentlichen Änderungen.

Weiterhin nur sprachlicher Natur ist die Aufnahme der öffentlichen Ordnung. Bisher lautete der §8 I PolG NRW:

Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Gefahr) abzuwehren, […]

Nunmehr lautet er

Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, […]

Für Laien: Die öffentliche Sicherheit ist (stark verkürzt) die Gesamtheit der geschriebenen Normen während die Öffentliche Ordnung auch Regeln umfasst, die allgemein bekannt und akzeptiert, vom Gesetzgeber aber nicht normiert sind. Die Aufnahme ist obsolet: Da die öffentliche Ordnung im §118 OwiG gesetzlich normiert ist, ist sie Teil der öffentlichen Sicherheit. Hier wurde ein Lehrbuch-Streit aufgegriffen, der nicht einmal mehr Studenten interessiert.

Neu sind zwei Paragraphen im Bereich der Datenerhebung:

§ 14a Molekulargenetische Untersuchungen zur Identitätsfeststellung
(1) Zur Feststellung der Identität einer Leiche oder einer hilflosen Person können deren DNA-Identifizierungsmuster mit denjenigen einer vermissten Person abgeglichen werden, wenn die Feststellung der Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist.

Zu diesem Zweck dürfen
1. der hilflosen Person oder der Leiche Körperzellen entnommen werden,
2. Proben von Gegenständen mit Spurenmaterial der vermissten Person genommen und
3. die Proben nach den Nummern 1 und 2 molekulargenetisch untersucht werden.

Für die Entnahme gilt § 81a Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung entsprechend. Die Untersuchungen nach Satz 2 Nummer 3 sind auf die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts zu beschränken. Entnommene Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, wenn sie für die Untersuchung nach Satz 2 nicht mehr benötigt werden. Die DNA- Identifizierungsmuster können zum Zweck des Abgleichs in einer Datei ge- speichert werden. Die in der Datei gespeicherten DNA-Identifizierungsmuster dürfen ausschließlich zum Zweck der Gefahrenabwehr verwendet wer- den. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Identitätsfeststellung nach Satz 1 nicht mehr benötigt werden.

(2) Molekulargenetische Untersuchungen werden auf Antrag der Polizei durch das Amtsgericht angeordnet, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Für die Durchführung der Untersuchungen gilt § 81f Abs. 2 der Strafprozessordnung entsprechend.“

Ein neuer §16 PolG NRW (der bisherige wird zum §16a) soll den „Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei der Datenerhebung mit besonderen Mitteln“ sicherstellen. Hier werden im Wesentlichen nur die Vorgaben des BVerfG nochmals im Gesetz kodifiziert, dazu gehört, dass aus dem privaten Kernbereich nicht erhoben werden darf und maßnahmen zu unterbrechen sind, sobald dieser Kernbereich betroffen ist. Dabei wurde, von Presse und Juristen zur Zeit unbemerkt, durch den Innenausschuss eine gravierende Änderung vom ursprünglich geplanten Text vorgenommen und dieser Abschnitt eingefügt:

[…] dies gilt nicht, soweit die Erhebung aus zwingenden informations- oder ermittlungstechnischen Gründen nicht unterbleiben kann.

Im Angesicht dieser Generalklausel verkommt der §16 PolG NRW zum reinen formalismus ohne Bedeutung: Es liegt somit im Ermessen der Ermittlungsbehörde, ob der private kernbereich geachtet wird oder nicht.

Im neuen §16a PolG NRW (alter §16 PolG NRW) wurde explizit aufgenommen, dass Berufsgeheimnisträger nach §53 StPO nicht im zuge einer Observation überwacht werden dürfen. Die Vorschrift war bisher „allumfassend“.

Neu ist, dass der §17 PolG NRW („Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel“) nun neben der bisher vorgesehenen optischen Erfassung auch die akustische erfasst.

§33 PolG NRW sieht nun die ohnehin erwartete Möglichkeit der bundesweiten Verbunddatei vor:

Das Innenministerium kann zur Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr, die nicht nur von örtlicher Bedeu- tung sind, mit anderen Ländern und dem Bund eine Verbunddatei der Polizei vereinbaren, die eine automatisierte Datenübermittlung ermöglicht.

Wer in Zukunft von der Polizei festgehalten wird, kann umfassend überwacht werden (nur offen, §37 III PolG neue Fassung):

„Im Ausnahmefall, wenn dies zum Schutz der Person erforderlich ist, kann die festgehaltene Person mittels Bild- und Tonübertra- gung offen beobachtet werden. Zur Wahrung der Intimsphäre kann der Toilettenbereich durch geeignete Sichtschutzwände abgegrenzt werden.“

Wieder neu ist dann, dass in NRW nun der so genannte „finale Rettungsschuss“ gesetzlich kodifiziert ist. Im neuen §63 PolG NRW heißt es dazu:

„Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.“

Inwiefern es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, die staatliche Tötung nicht nur überhaupt, sondern angesichts einer – wenn auch schweren – zu rechtfertigen, wird hoffentlich in naher Zukunft geklärt. Zur insgesamt höchst umstrittenen Thematik des „finalen Rettungsschusses“ an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen.

Im Ergebnis ist das Gesetz vor allem Kosmetik mit einigen sehr befremdlichen Anwandlungen. Es ist zu begrüßen, dass weder der „Landestrojaner“ noch Erweiterungen bei der Eingang in das Gesetz gefunden haben. Dass eine Kodifizierung des finalen Rettungsschusses stattfinden würde, war zu erwarten – dass es bis zur Körperverletzung ausgedehnt wird ist kritisch zu beleuchten. Ebenso die Tatsache, dass die Fortführung von Überwachungsmaßnahmen im Ermessen der ermittelnden Behörde steht. Diese beiden Punkte gehören von einem Verfassungsgericht – sei es auf Landes- oder Bundesebene – überprüft. Der §14a (molekulargenetische Prüfungen) ist gelassen zur Kenntnis zu nehmen.

Links dazu:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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