Mit ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in einem sehr eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht.
Denn: Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist.
Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings – und dies ist ein wichtiger Verteidigungsansatz – muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, zu weit darf man dies aber nicht verstehen:
Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Be- weise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (…)
BGH, StB 49/20
Damit zeigt sich, dass die Haftbeschwerde keineswegs so einfach ist, wie viele Verteidiger es gerne mal verkaufen – und dass man halt auch darauf angewiesen ist, wie „sauber“ das Gericht arbeitet.
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