Einziehung bei Hawala-Banking

Der (3 StR 278/22) hat klargestellt, dass Taterträge (§ 73 Abs. 1 StGB) aus dem -Banking nur die Provisionen (Entgelte), nicht aber die Kundengelder sind, die Gegenstand der Überweisungsvorgänge sind und an die von den Einzahlern bestimmten Empfänger ausgezahlt werden sollen.

Die Kundengelder sind vielmehr Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB bzw. Tatobjekte im Sinne von § 74 Abs. 2 StGB (dazu unten aa)). Als solche unterliegen sie, jedenfalls soweit eine Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 StGB gegeben ist, der Ermessenseinziehung, wenn sie in vollem Umfang sichergestellt werden konnten. Dagegen scheidet eine Wertersatzeinziehung hinsichtlich der Kundengelder aus, soweit diese bestimmungsgemäß transferiert wurden, da insoweit keine einziehungshindernde Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB vorliegt, wie der BGH betont.

Die Kundengelder des Hawala-Bankings sind – über den Provisionsanteil hinaus – keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern Gegenstände, die der nach § 74 StGB unterliegen.

Der BGH macht insoweit deutlich, dass die am Hawala-Banking Beteiligten das Geld zur Erbringung des Zahlungsdienstes verwenden; ihre tatbestandsmäßige Tätigkeit bezieht sich auf diesen. Zwar wäre es begrifflich möglich, die Gelder als durch die Straftaten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB und des unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG erlangte Vermögenswerte zu qualifizieren.

Eine solche ausschließlich auf die Erlangungshandlung der Gelder bezogene und nicht das strafrechtlich relevante Gesamtgeschehen in den Blick nehmende Bewertung scheidet hier jedoch angesichts der Struktur der verwirklichten Straftatbestände, die sämtliche Aktivitäten des Hawala-Bankings als tatbestandliche Handlungseinheit erfassen, aus. Die Qualifizierung der Gelder als Tatmittel bzw. Tatobjekte nach § 74 StGB hat Vorrang; ihre gleichzeitige Qualifizierung als Taterträge nach § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB ist nicht möglich.

Hawala-Kundengelder sind, soweit es um die Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GwG geht, jedenfalls dann Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB, wenn sich der Umgang der Hawaladare mit ihnen darauf beschränkt, sie (als Summe) an die von den Einzahlern benannten Empfänger zu transferieren und an diese auszuzahlen. Im Hinblick auf die (tateinheitliche) Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB sind die Hawala-Kundengelder Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB. Soweit die sichergestellten Kundengelder im Hinblick auf die Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG als Tatobjekt im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB einzuordnen sind, scheidet ihre Einziehung aus. Denn insoweit fehlt es an der nach § 74 Abs. 2 StGB erforderlichen spezialgesetzlichen Ermächtigung.

Allerdings unterliegen sichergestellte Kundengelder als Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB der Einziehung. Je nach konkreter Ausgestaltung der Geldtransfergeschäfte ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass Kundengelder im Einzelfall auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG nicht nur Tatobjekt, sondern (zugleich) auch Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB sind. Tatmittel können nach § 74 Abs. 1 StGB ohne zusätzliche spezialgesetzliche Ermächtigung eingezogen werden.

Da die Kundengelder des Hawala-Bankings ausschließlich den §§ 74 ff. StGB unterfallen, scheidet eine Wertersatzeinziehung allerdings aus, wenn der Täter – wie hier – die Kundengelder im Rahmen des Hawala-Bankings bestimmungsgemäß weitergeleitet hat, und zwar auch dann, wenn er vorübergehend Eigentum an dem Bargeld erlangt haben sollte (vgl. § 74 Abs. 3 StGB). Denn eine solche Weitergabe als Teil der von § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB (und § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG) erfassten strafbaren Handlung stellt keine Vereitelung der Einziehung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB dar.

Ein Gegenstand wird erst durch die Tatbegehung zum Tatmittel oder Tatobjekt. Die Einziehung eines Gegenstandes als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB oder als Tatobjekt nach § 74 Abs. 2 StGB kommt daher erst mit der Begehung der Tat in Betracht, bei der der Gegenstand verwendet wurde oder die sich auf den Gegenstand bezieht. Erst durch die Tat wird der betreffende Gegenstand zum Einziehungsgegenstand. Voraussetzung für eine Anordnung nach § 74c Abs. 1 StGB ist daher, dass durch eine Straftat eine Einziehungssituation geschaffen worden ist und der Täter oder Teilnehmer die Einziehung des betreffenden Tatmittels oder Tatobjekts nachträglich, d.h. nach der Tatbegehung und der dadurch bewirkten Entstehung der staatlichen Einziehungsbefugnis, durch Veräußerung oder Verbrauch unmöglich gemacht oder auf andere Weise vereitelt hat.

Die Tatbegehung selbst, so der BGH, ist somit keine Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB. Die Einziehung des Wertes von Tatmitteln und Tatobjekten erfasst daher nur solche Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer die Einziehung eines Tatmittels oder Tatobjekts durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründenden Tathandlungen vereitelt. In den Fällen, in denen im Rahmen des Hawala-Bankings Kundengelder transferiert und an die Empfänger ausbezahlt werden, wird jedoch gleichzeitig mit und durch die Tatbegehung eine spätere Einziehung der Gelder als Tatmittel oder Tatobjekte nach § 74 Abs. 1 und 2 StGB unmöglich gemacht.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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