In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, 1 StR 121/24) zum Konsumcannabisgesetz (KCanG) wird ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Besitzregelungen für Cannabis thematisiert. Konkret geht es um die sogenannten Freigrenzen, die im Gesetz verankert wurden. Das Konsumcannabisgesetz erlaubt den Besitz bestimmter Mengen Cannabis zum Eigenkonsum, die in den §§ 3, 4 KCanG festgelegt sind. Diese Mengen stellen das Maximum dar, das im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung noch vertretbar erscheint.
Der BGH hat klargestellt, dass die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG genannten Mengengrenzen als Freigrenzen zu verstehen sind. Das bedeutet, dass eine Strafbarkeit erst dann eintritt, wenn diese Mengen überschritten werden. Diese Regelung ist auch systematisch begründet, da der Gesetzgeber eine veränderte Risikobewertung von Cannabis vorgenommen hat und den Besitz bestimmter Mengen aus dem grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Cannabis herausnimmt.
Wichtig ist auch, dass diese Freigrenzen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen. Das bedeutet, dass bei der Bemessung der Strafe der Umstand, dass der Besitz von Cannabis bis zu einer bestimmten Grenze straffrei ist, einfließen muss. Dies betrifft sowohl den Besitz als auch den Anbau und Erwerb von Cannabis:
Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis stellen Freigrenzen dar. Dies hat zur Folge, dass bei Überschreiten derselben die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis
strafbewehrt ist und das Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung unterliegt (§ 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB).Für dieses Verständnis ist zunächst der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG heranzuziehen. Denn die Formulierung „mehr als“ …“besitzt“, „anbaut“ oder „erwirbt“ bedeutet lediglich, dass eine Strafbarkeit nur dann in Betracht kommt, wenn die jeweils genannte Menge überschritten ist. Dass die „erlaubten“ Mengen in jedem Fall aus der Strafbarkeit ausgenommen sein sollen, ergibt sich hieraus indes nicht. Aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG folgt nichts Anderes. Nach § 2 KCanG ist der Umgang mit Cannabis grundsätzlich verboten.
Auch die Systematik des Konsumcannabisgesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprechen hierfür; insbesondere führt die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Besitzmengen in §§ 3, 4 KCanG von dem in § 2 KCanG normierten Verbot des Umgangs mit Cannabis auszunehmen, zu keiner anderen Bewertung. Der Normgeber hat in §§ 3, 4 KCanG infolge einer „geänderten Risikobewertung“ von Cannabis für Erwachsene den Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum von dem grundsätzlichen Umgangsverbot des § 2 KCanG ausgenommen (BT-Drucks. 20/8704, S. 93).
Zwar teilt die Gesetzesbegründung nicht mit, von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Mengen konkret hat leiten lassen. Angesichts dessen, dass das Konsumcannabisgesetz nach seiner Präambel einen verbesserten Gesundheitsschutz und die Stärkung eines „verantwortungsvolle[n] Umgang[s] mit Cannabis“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) zum Ziel hat, ist jedoch davon auszugehen, dass sich die festgesetzten Mengen hieran orientieren und das äußerste Maß dessen darstellen, was mit Blick auf die – auch aus der Sicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) – grundsätzlich weiterhin gegebene Gefährlichkeit von Cannabis vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung noch verantwortet werden kann.
Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber den gleichzeitigen Besitz
größerer als in §§ 3, 4 KCanG genannter Mengen als gefährlich angesehen und daher verboten hat (vgl. dazu BT-Drucks. 20/8704, S. 131: „erst bei Überschreiten…strafbar“). Da die Straftatbestände des § 34 KCanG der Durchsetzung der gesetzgeberischen Wertungen – mithin auch dem strikten Verbot, mehr als die in §§ 3, 4 KCanG genannten Mengen zu besitzen – dienen sollen, sind die Regelungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG als Freigrenzen zu verstehen.
Durch diese rechtliche Klarstellung will der BGH verdeutlichen, dass der Gesetzgeber einen bewussten Schritt unternommen hat, um den Umgang mit Cannabis zu regulieren und gleichzeitig einen verbesserten Gesundheitsschutz sicherzustellen, indem klare Grenzen gesetzt werden, die auch strafrechtliche Auswirkungen haben.
Nachdem der BGH in gleich mehreren Beschlüssen auf dem Standpunkt steht, dass der Gesetzgeber gerade keine neue Risikobewertung vorgenommen hat im KCanG (um damit an dem dogmatisch fehlerhaft begründeten Mengenwert der nicht geringen Menge festzuhalten) schreibt der BGH nun dem Gesetzgeber – weil es hier dann nützlich in der Argumentation ist – ins Stammbuch, gerade die Gefährlichkeit mit Blick auf (erlaubte) Mengen neu bewertet zu haben.
Losgelöst davon, dass man an der einfachen dogmatischen Frage scheitert, dass bzw. es sich hier um eine Privilegierung handelt, die bei Überschreiten der „Grenzwerte“ dann insgesamt entfällt, macht es doch zunehmen den Eindruck, dass der BGH Politik machen möchte und dabei vergisst, wie Rechtsprechung funktioniert. So jedenfalls, mit sich ständig wechselnder Argumentation vor gleichem Hintergrund, wird es mit dem BGH und dem KCanG nichts.
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