Der EUGH (C‑118/13) hat auf Vorlage des Landesarbeitsgerichts Hamm entschieden, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht zu berücksichtigen sind
wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Eine solche Abgeltung kann nicht davon abhängen, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat.
Hintergrund war ein verstorbener Arbeitnehmer dem noch ganz erhebliche Urlaubsansprüche zustanden, die nun von den Erben beansprucht wurden. Da der Urlaub „in Natur“ natürlich nur von dem Arbeitnehmer genutzt werden kann, stand insoweit zur Diskussion, ob den Erben der Abgeltungsanspruch – also die Zahlung eines Betrages – zusteht. Dies wurde bisher abgelehnt, was der EUGH nun aber gerade gerückt hat. Vor dem Landesarbeitsgericht kam es dann Ende 2014 zu einem Vergleich zwischen den Parteien, eine Entscheidung wird hier also abschliessend nicht mehr zu erwarten sein. Gleichwohl sollten Erben daran denken, hier eventuell bestehende Ersatzansprüche im Auge zu haben.
In Anlehnung an diese Rechtsprechung hat das Arbeitsgericht Berlin (56 Ca 10968/15) im Oktober 2015 sodann entschieden, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überholt ist. Aus der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin:
Ein Urlaubsanspruch geht nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter, sondern er wandelt sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben um. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden.
Die Erblasserin stand in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten und hatte im Zeitpunkt ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen. Ihre Erben forderten von der Beklagten die Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) sei der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Diese Voraussetzungen seien bei dem Tod des Arbeitnehmers gegeben. Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, mit dem Tod erlösche die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers und damit auch ein (abzugeltender) Urlaubsanspruch, widerspreche dies Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in der von dem Europäischen Gerichtshof durch Urteil vom 12. Juni 2014 – C-118/13 – erfolgten Auslegung; der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei daher nicht zu folgen.
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