Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 15. September 2025 (I ZB 36/25) klargestellt, dass das Recht auf Vertretung durch Datenschutzverbände nach Art. 80 DSGVO den Anwaltszwang vor Land- und Oberlandesgerichten nicht aufhebt. Insoweit bleibt es dabei, dass Betroffene auch in Datenschutzverfahren die Regeln der Zivilprozessordnung beachten müssen – selbst wenn sie sich durch eine Vereinigung unterstützen lassen.
Verein klagt ohne Anwalt – und scheitert
Eine Betroffene wehrte sich gegen die Verarbeitung ihrer Daten durch einen psychiatrischen Sachverständigen. Sie legte Berufung gegen ein amtsgerichtliches Urteil ein, ließ sich dabei jedoch nicht von einem Rechtsanwalt, sondern von einem Datenschutzverein vertreten. Das Landgericht Meiningen verwarf die Berufung als unzulässig, weil der Verein nicht postulationsfähig war. Die Betroffene beantragte Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde, scheiterte damit jedoch vor dem BGH.
Zentrale Frage: Kann ein Verein den Anwaltszwang umgehen?
Art. 80 Abs. 1 DSGVO erlaubt es Betroffenen, eine gemeinnützige Organisation mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu beauftragen. Die Klägerin argumentierte, dies umfasse auch die Befugnis, selbstständig Rechtsmittel einzulegen. Der BGH widersprach: Die DSGVO erteilt Verbänden zwar eine Vertretungsbefugnis, aber keine Postulationsfähigkeit – also das Recht, vor Gerichten aufzutreten, die einen Anwaltszwang vorsehen.
DSGVO ändert nichts am Anwaltszwang
Der BGH betonte, dass Art. 80 DSGVO lediglich regelt, wer Rechte geltend machen darf, nicht aber wie. Die Zivilprozessordnung (ZPO) schreibt in § 78 Abs. 1 vor, dass Parteien vor Land- und Oberlandesgerichten anwaltlich vertreten sein müssen. Diese Regelung wird durch die DSGVO nicht berührt.
Art. 80 DSGVO als Vertretungsregelung, nicht als Prozessregel
Die Vorschrift ermöglicht es Verbänden, im Namen Betroffener Beschwerden einzureichen oder Klagen zu erheben. Sie befreit sie jedoch nicht von den prozessualen Anforderungen des nationalen Rechts. Der Wortlaut der Norm spricht nur von der „Wahrnehmung“ von Rechten, nicht von der Befugnis, selbstständig vor Gericht aufzutreten.
Keine Lücke im Rechtsschutz
Die Klägerin berief sich auf den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG). Doch der BGH sah darin keine Verletzung: Betroffene können sich weiterhin durch einen Anwalt vertreten lassen – der Verein kann sie dabei unterstützen, etwa durch Beratung oder Kostenübernahme.
Eindeutige Rechtslage, keine grundsätzliche Bedeutung
Da die Frage in Literatur und Rechtsprechung bereits geklärt war, lehnte der BGH eine Prozesskostenhilfe ab. Die DSGVO schafft keine Sonderregeln für den Anwaltsprozess.
Datenschutzverbände als Unterstützer, nicht als Prozessvertreter
Die Entscheidung unterstreicht, dass die DSGVO zwar kollektiven Rechtsschutz stärkt, aber die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten respektiert. Wer vor höheren Gerichten klagen will, braucht einen Anwalt – selbst wenn ein Verband im Hintergrund steht. Für Betroffene bedeutet dies: Sie können sich zwar von Datenschutzorganisationen beraten lassen, müssen aber für die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche weiterhin einen Rechtsanwalt beauftragen. Die Klarstellung des BGH verhindert, dass Verbände ohne juristische Qualifikation Prozesse führen, und sichert so die Qualität der Rechtspflege. Gleichzeitig bleibt der Weg offen, über Anwälte gemeinsam mit Verbänden gegen Datenschutzverstöße vorzugehen.
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