In einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (15 Sa 20/23) wurde die Frage des Zugangs einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben, die damit verbundenen Beweisanforderungen und der Anscheinsbeweis intensiv beleuchtet. Diese Themen sind insbesondere für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von großer Bedeutung, da der Zugang einer Kündigung entscheidend für die Einhaltung gesetzlicher Fristen und die Wirksamkeit der Kündigung ist.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stritten die Parteien darüber, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Einwurf-Einschreiben wirksam zugestellt wurde. Die beklagte Partei hatte behauptet, die Kündigung am 28. Juli 2022 durch Einwurf in den Briefkasten der Klägerin zugestellt zu haben, konnte jedoch keinen ausreichenden Beweis für den Zugang erbringen. Weder der zuständige Mitarbeiter der Deutschen Post AG wurde als Zeuge benannt noch eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorgelegt.
Rechtliche Analyse
Zugang der Kündigung
Gemäß § 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Der Zugang ist erfolgt, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Beweisanforderungen
Die Beweislast für den Zugang einer Kündigung liegt beim Absender. Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte keinen Einlieferungsbeleg zusammen mit einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegen, was notwendig gewesen wäre, um einen Anscheinsbeweis zu begründen.
Anscheinsbeweis
Der Anscheinsbeweis im Kontext der Zustellung durch Einwurf-Einschreiben kann durch den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Deutschen Post AG geführt werden. Letzterer dokumentiert den Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers mit Datum und Uhrzeit. Im vorliegenden Fall reichte der vorgelegte Sendungsstatus nicht aus, da er weder den Namen des Zustellers noch eine technische Reproduktion der Unterschrift des Zustellers beinhaltete.
Urteil und Konsequenzen
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung der Klägerin nicht wirksam zugestellt wurde und damit das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde. Ein Zugang der Kündigung konnte aufgrund fehlender ausreichender Beweise nicht festgestellt werden.
Fazit und Auswirkungen
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg verdeutlicht die hohen Anforderungen an den Nachweis des Zugangs einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie über alle notwendigen Belege verfügen, um im Streitfall den Zugang nachweisen zu können. Alternativ könnte die Zustellung durch persönlich bekannte Boten erfolgen, die als Zeugen benannt werden können, um rechtliche Sicherheit zu gewährleisten.
Diese Entscheidung zeigt, dass der Anscheinsbeweis beim Zugang von Kündigungen nicht leichtfertig angenommen wird und sorgfältige Dokumentation sowie Zeugen von entscheidender Bedeutung sind, um rechtliche Nachteile zu vermeiden.
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