Verwaltungsrecht: Zur Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebs

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Zulässigkeit von „bordellartigen Betrieben“ sowohl in Wohngebieten wie auch „faktischen Gewerbegebieten“ beschäftigt.

Bordellartiger Betrieb und Wohnungsprostitution im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Mit zwei Urteilen vom 23.07.2014, deren Begründung nunmehr vorliegt, hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zur Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes und zur gewerblichen Zimmervermietung zum Zwecke der Wohnungsprostitution im allgemeinen Wohngebiet in Baden-Baden entschieden.

des einen Verfahrens (Az 6 K 3323/13) sind Räumlichkeiten, in denen die Klägerin seit November 2009 einen FKK- und Saunaclub betreibt, ohne im Besitz der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung zu sein. Mit Verfügung vom 07.05.2013 untersagte die beklagte Stadt der Klägerin die Nutzung dieser Räumlichkeiten mit der Begründung, die nähere Umgebung des Baugrundstücks entspreche einem allgemeinen Wohngebiet. Dort aber sei ein bordellartiger Betrieb weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin hiergegen am 18.11.2013 erhoben. Zur Begründung hat sie sich im wesentlichen darauf berufen, die betreffenden Räume würden bereits seit Jahren als der dienender Club benutzt ohne dass es je zu milieubedingten Störungen gekommen sei. Bei dem Club handele es sich um einen klassischen nichtstörenden Gewerbebetrieb. Die Nutzungsuntersagung sei auch unverhältnismäßig, zumal die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe, und verstoße ferner gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn in Baden-Baden würden ca. 25 bis 30 gleichartige Einrichtungen betrieben, gegen welche die Stadt nicht vorgehe.

Diesen Argumenten ist das Verwaltungsgericht im Urteil vom 23.07.2014 nicht gefolgt. Es hat festgestellt, dass das Grundstück, in dem der Club betrieben wird, zwar nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liege, die Umgebungsbebauung nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck aber als faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB anzusehen sei. In einem solchen Wohngebiet sei der bordellartige Betrieb der Klägerin weder allgemein zulässig noch ausnahmsweise zulassungsfähig ohne dass es auf dessen Störpotential im Einzelfall ankomme. Maßgeblich für die Beurteilung sei vielmehr eine typisierende Betrachtungsweise. Bei dieser Betrachtung beeinträchtige die Nutzung von Räumen zum Zwecke der Prostitution oder zu prostitutionsähnlichen Zwecken das Wohnumfeld erheblich und führe zu Spannungen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung sei auch frei von Ermessensfehlern. Die Klägerin habe mit Blick auf die jahrelange unbeanstandete Nutzung der Räume nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen dürfen, dass die beklagte Stadt auch zukünftig nicht gegen die baurechtswidrige Nutzung einschreiten werde. Mit der Nutzungsuntersagung habe die Stadt den Betrieb der Klägerin auch nicht willkürlich herausgegriffen; vielmehr gehe die Beklagte in Umsetzung ihres Vergnügungsstättenkonzepts gegen baurechtswidrige Prostitutionsbetriebe vor und priorisiere hierbei in zulässiger Weise. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei schließlich auch nicht mit Blick auf getätigte Investitionen unverhältnismäßig, denn die Klägerin habe diese letztlich auf eigenes Risiko ohne Vorliegen der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung vorgenommen.

Streitgegenstand des zweiten Verfahrens (6 K 2252/13) sind Räumlichkeiten im Erdgeschoss eines Vorderhauses sowie im Obergeschoss eines Hinterhauses, welche als Ladengeschäft bzw. als Wohnung baurechtlich genehmigt sind. Im Hinterhaus wird bereits seit 2007 Prostitution betrieben; das Ladengeschäft im Vorderhaus wurde im Frühjahr 2011 umgebaut. Bei der Beklagten gingen mehrere Nachbarschaftsbeschwerden u.a. der Katholischen Kirchengemeinde und von Anwohnern ein. Einen Antrag der Klägerin – als Eigentümerin – auf baurechtliche Genehmigung der Umnutzung der Räume als gewerbliche Zimmervermietung zum Zwecke der Wohnungsprostitution lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2013 ab. Gleichzeitig untersagte sie die Nutzung des ehemaligen Ladengeschäftes im Erdgeschoss des Vorderhauses und der Wohnung im Hinterhaus als bordellartigen Betrieb. Die Einstufung als bordellartiger Betrieb folge daraus, dass die Klägerin die Wohnungen nur über kurze Zeiträume vermiete. Ein bordellartiger Betrieb sei im allgemeinen Wohngebiet aber unzulässig. Nachdem die Klägerin erfolglos ein Widerspruchsverfahren durchlaufen hatte, erhob sie am 30.08.2013 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Sie trägt u.a. vor, die Beklagte gehe zu Unrecht von einem bordellartigen Betrieb aus. Es liege vielmehr ein Fall der Wohnungsprostitution vor, bei der die Prostituierten nicht nach außen in Erscheinung träten. Eine milieubedingte Unruhe sei daher in der Umgebung nicht zu befürchten.

Das Verwaltungsgericht hat auch in diesem Verfahren festgestellt, dass für das Gebiet, in dem das Baugrundstück liege, kein Bebauungsplan existiere und es sich bei diesem um ein faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB handele. In diesem Gebiet sei der von der Klägerin fortgesetzte Betrieb einer gewerblichen Zimmervermietung weder allgemein zulässig noch ausnahmsweise zulassungsfähig. Letztlich könne dahinstehen, ob diese Nutzung als Wohnungsprostitution oder als bordellartiger Betrieb anzusehen sei, denn in beiden Fällen sei sie bei der gebotenen typisierenden Betrachtung planungsrechtlich generell unzulässig ohne dass es auf das Störpotential im Einzelfall ankomme. Aber auch dann, wenn man in Bezug auf die Wohnungsprostitution eine andere rechtliche Einschätzung vornehmen wollte, sei die konkret zur Genehmigung gestellte Form der Nutzung hier unzulässig und auch nicht ausnahmsweise zulassungsfähig. Denn nach der vor Ort gewonnenen Einschätzung der Kammer liege ein bordellartiger Betrieb und nicht lediglich Wohnungsprostitution vor. Es habe sich erwiesen, dass die aktuellen Mieterinnen nicht tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung hätten und sich nur „wochenweise“ dort aufhielten. Dafür, dass nicht das Wohnen, sondern die Prostitution der Wohnung das Gepräge gebe, spreche auch die Gestaltung des Eingangsbereichs der Wohnung und der Wohnung selbst. In Bezug auf die Nutzungsuntersagung der Beklagten sei die Verfügung der Beklagten – aus denselben Gründen wie die im Verfahren 6 K 3323/13 streitgegenständliche Verfügung – frei von Ermessensfehlern.

Bordellartiger Betrieb im faktischen Gewerbegebiet zulässig

Mit Urteil vom 28.05.2014, dessen Begründung nunmehr vorliegt, hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zur Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes im faktischen Gewerbegebiet in Baden-Baden entschieden.

Streitgegenstand des Verfahrens (Az 6 K 701/13) sind Räumlichkeiten in einem als Wohnhaus genehmigten Gebäude im unbeplanten Gebiet. Das Anwesen wird spätestens seit Juli 1997 auch zu Prostitutionszwecken genutzt. Die Klägerin betreibt dort einen FKK-Sauna-Club. Eine baurechtliche Genehmigung für diese Umnutzung liegt nicht vor. Am 17.02.2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, das Gebiet zu überplanen. Zur Sicherung der Planung beschloss er am 30.04.2012 und am 12.05.2014 den Erlass einer Veränderungssperre. Mit Verfügung vom 30.06.2011 untersagte die Beklagte der Klägerin zum 31.08.2011 die Nutzung des Anwesens als bordellartiger Betrieb, weil der als Vergnügungsstätte zu typisierende Betrieb formell und materiell illegal sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin am 19.03.2013 Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung erhoben. Sie beruft sich im wesentlichen darauf, dass das Gebäude in einem überwiegend gewerblich geprägten Gebiet liege und der Beklagten die Ausübung der Prostitution schon seit Jahren bekannt sei. Die Nutzungsuntersagung sei daher unverhältnismäßig und zudem gleichheitswidrig, weil die Beklagte gegen einen vergleichbaren Betrieb nicht vorgehe. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung der Beklagten und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe aufgehoben. Zwar sei die Nutzung des von der Klägerin angemieteten Anwesens nicht von einer Baugenehmigung gedeckt und damit in formeller Hinsicht illegal. Die Nutzung verstoße aber nicht gegen Vorschriften des materiellen Baurechts. In diesem Zusammenhang komme der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossenen Veränderungssperre keine maßgebliche Bedeutung zu. Diese sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts zwar noch in Kraft gewesen, stehe der Fortführung einer bisher ausgeübten, bauplanungsrechtlich zulässigen Nutzung aber nicht entgegen. Entscheidend komme es deshalb darauf an, ob der Betrieb der Klägerin seit der Umnutzung des Gebäudes bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre fortlaufend gegen materielles Baurecht verstoßen habe. Dies sei nicht der Fall. Für das Gebiet, in dem das Baugrundstück liege, existiere kein Bebauungsplan. Nach dem von der Kammer vor Ort gewonnenen Eindruck sei die nähere Umgebung weder als Gemengelage noch als faktisches Mischgebiet, sondern vielmehr als faktisches Gewerbegebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO zu bewerten. Dort seien bordellartige Betriebe allgemein zulässig. Nach dem Hauptzweck des Unternehmens, wie er sich auch aus der Gewerbeanmeldung ergebe, handele es sich bei dem FKK-Sauna-Club um einen solchen Betrieb. Maßgeblich sei, dass Prostitutierte dort gegen Entgelt sexuelle Dienstleistungen erbrächten. Anders als bei Vergnügungsstätten – etwa Swingerclubs – stehe nicht das gesellige Beisammensein, sondern die prostitutive Leistung im Vordergrund. Selbst wenn man den Betrieb aber als Vergnügungsstätte einordne, könne er gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden. Von ihm gingen keine Belästigungen oder Störungen aus, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Insbesondere sei der nach außen hin unauffällige, gegenüber benachbarten Grundstücken abgeschirmte und überschaubar große Betrieb der Nachbarschaft gegenüber nicht rücksichtslos.

Quelle: Pressemitteilungen des Gerichts

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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