Ein weiteres „ganz großes Ding“ im Zuge der großen Umwälzungen im Verbraucherrecht im Jahr 2022 ist der im §9 II UWG vorgesehene neue Schadensersatzanspruch für Verbraucher. Bisher fristet diese Entwicklung ein Schattendasein – das sie nicht verdient, hier lauert ein Minenfeld, das sich erst in den nächsten Jahren zu voller Blüte entwickeln wird. Ein Ausblick.
Neuer Schadensersatzanspruch im UWG
Der neue §9 II UWG wird wie folgt lauten:
Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6.
Das ist zuerst einmal ein Novum: Schon in den vergangenen Jahren haben Gericht immer wieder versucht, aus wettbewerbswidrigen Handlungen Schadensersatzansprüche zu stricken, etwa bei Verbraucherverträgen, die auf einem unerlaubten Cold-Calling beruhten. So richtig gut kam das in der obergerichtlichen Rechtsprechung nach meinem Eindruck aber nicht an – das, das Verhältnis der Mitbewerber regelnde Wettbewerbsrecht, war insoweit halt nicht darauf ausgelegt, unmittelbare Ansprüche von Verbrauchern abzudecken. Dass dies der Gesetzgeber nun umsetzt, muss nicht schlecht sein, ist aber aus meiner Sicht ein Wendepunkt.
Weitreichender UWG-Schadensersatzanspruch
Es wird ein wenig dauern, bis in der Praxis ankommt, was hier an Sprengstoff versteckt ist. Alleine die Bezugnahme auf die §§3, 3a UWG macht schon klar, dass hier sehr weitreichende Schadensersatzansprüche im Raum stehen werden, etwa wenn man §3 II UWG liest:
Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
Wenn man sich nun vor Augen hält, dass mit der EUGH-Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht bereits die schlicht fehlerhafte Auskunft zu einem bestehenden Vertrag ein Wettbewerbsverstoß ist, fängt man langsam an, zu erahnen, worum es geht. Und welcher Streit sich hier anbahnt. Insbesondere, wenn man daran denkt, dass auch fehlerhafte Rechnungen bereits in diesen Bereich fallen können.
Ein einfaches Beispiel aus dem verbraucherrechtlichen Alltag: Der Kunde X möchte seinen Vertrag kündigen, ruft vorher beim Anbieter an und erfährt – fälschlicherweise – dass sein Vertrag sich gerade verlängert hat und er noch ein Jahr lang gebunden sein soll. Aufgrund der fehlerhaften Auskunft sieht er von einer zeitnahen Kündigung ab. Das Ergebnis wird in diesen Fällen ein problemloser Schadensersatzanspruch hinsichtlich der angefallenen Kosten für den Zeitraum sein, der bis zur Kündigung im Vertrauen auf die falsche Auskunft vergeht. Bisher stellt sich ein solcher Anspruch eher schwierig dar.
Zugleich ergeben sich aber massive streitbare Punkte zur Beweislast: Die Auskunft wird man vielleicht noch per Mail erhalten, doch gehen dann der Streit um Kausalität und Umfang des Schadens erst los.
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