Tötungsvorsatz im Straßenverkehrsunfall

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH,
4 StR 15/24) beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Tötungsvorsatz bei einem Verkehrsunfall vorliegt. Im Mittelpunkt steht die strafrechtliche Bewertung eines Verkehrsunfalls, bei dem der Fahrer einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlich verletzt hat. Das Gericht musste klären, ob das Verhalten des Fahrers als fahrlässige Tötung oder als vorsätzliche Tat einzustufen ist.

Sachverhalt

Der Angeklagte war auf einer Landstraße unterwegs, als es zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug kam. Trotz einer klaren Verkehrslage und Sichtbedingungen hatte der Angeklagte nicht nur die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, sondern auch in riskanter Weise versucht, ein anderes Fahrzeug zu überholen. Dabei übersah er einen entgegenkommenden Pkw. Um eine Kollision zu vermeiden, zog der Angeklagte abrupt nach rechts und kollidierte dabei mit einem am Straßenrand stehenden Fahrzeug, wobei ein Insasse tödlich verletzt wurde.

Rechtliche Analyse

Im Zentrum der rechtlichen Würdigung steht die Frage des Tötungsvorsatzes. Der BGH hat in seiner Entscheidung dargelegt, dass für die Annahme eines Tötungsvorsatzes ein bedingter Vorsatz (“dolus eventualis”) ausreichend sein kann. Dieser liegt vor, wenn der Täter den Tod eines Menschen als mögliche Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt.

Der BGH setzte sich intensiv mit den Kriterien auseinander, die für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes sprechen könnten. In der Rechtsprechung wird diesbezüglich auf eine Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände abgestellt. Entscheidende Kriterien sind hierbei unter anderem die konkrete Gefährlichkeit des Verhaltens, das Maß der Risikosteigerung und das Bewusstsein des Täters über die potenziellen tödlichen Folgen seines Verhaltens.

Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte bewusst und aus eigenem Antrieb eine erhebliche Gefahr geschaffen hatte. Die grob verkehrswidrige Fahrweise, insbesondere das Überholen trotz unklarer Verkehrslage, führte zu einer erheblichen Steigerung des Risikos. Trotz dieser Erkenntnis konnte dem Angeklagten jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass er den Tod des Unfallopfers billigend in Kauf genommen hatte. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass kein bedingter Vorsatz, sondern lediglich grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Schlussfolgerung

Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Annahme eines Tötungsvorsatzes im Straßenverkehr hohe Anforderungen an den Nachweis des subjektiven Willenselements gestellt werden. Die bloße Erkennbarkeit der Gefahr und die Inkaufnahme von Verkehrsrisiken reichen allein nicht aus, um einen bedingten Vorsatz zu begründen. Es bedarf einer klaren Feststellung, dass der Täter die möglichen tödlichen Folgen seines Handelns bewusst akzeptiert hat.

Ergebnis

Das Gericht hat letztlich den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Diese Entscheidung unterstreicht die rechtlichen Grenzen, innerhalb derer sich die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei Verkehrsunfällen bewegt, und verdeutlicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Tatumstände.

Das Urteil zeigt, dass für die Annahme eines Tötungsvorsatzes im Straßenverkehr mehr erforderlich ist als das bloße Hervorrufen einer Gefahrensituation. Entscheidend ist die innere Haltung des Täters zur möglichen Folge, die in der gerichtlichen Praxis sorgfältig zu prüfen und darzulegen ist.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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