Tatsächlich muss man den Einwurf von Werbesendungen nicht dulden – sofern man klar stellt, dass der Einwurf unerwünscht ist. Üblicherweise wird hierzu ein Aufkleber genutzt, der auf das Unerwünschtsein hinweist. Wer sich durch einen solchen Aufkleber an seinem Briefkasten gegen den Einwurf von Werbematerial wehrt, der hat gegen den Werbenden einen Unterlassungsanspruch, wenn es dennoch zum Einwurf von Werbematerial kommt. Dabei besteht ein erster Anschein dahin gehend, dass der Einwurf der Werbeprospekte durch denjenigen veranlasst wurde, der darin wirbt (siehe dazu insgesamt BGH, VI ZR 182/88). Doch: Ganz so einfach ist das nicht.
Das Landgericht Bonn (5 S 7/13) hat nun festgestellt, dass alleine der Einwurf einer Werbesendung nicht zwingend für einen Unterlassungsanspruch sein muss. Hintergrund sind folgende Überlegungen:
Der allgemein anerkannte sog. Prima-facie-Beweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern auf Grund von Erfahrungssätzen. Nach dem bereits zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.12.1988 kann dem Betroffenen bei einem unerwünschten Einwurf von Werbematerial ein Anscheinsbeweis dahingehend zugutekommen, dass die Verteiler, die für das werbende Unternehmen tätig geworden sind, die Handzettel im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen haben, da es sich insofern um einen typischen Vorgang handle; maßgeblich sind insofern die Umstände des Einzelfalles (BGH, a.a.O., Rn 15). Ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass ein Anscheinsbeweis in jedem Fall dafür streitet, dass ein Werbeflyer stets auf Veranlassung des beworbenen Unternehmens in einen Briefkasten einlegt worden ist, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Er ließe sich mit den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auch nicht vereinbaren.
Im vorliegenden Fall ergab sich dann eine Besonderheit:
Dem Tatbestand sowie dem weiteren Vorbringen des Klägers in der Berufung lässt sich weder entnehmen, dass auch in der näheren Umgebung entsprechende Flyer verteilt worden sind, noch, dass es an anderen Tagen zu einem Einwurf des Werbematerials gekommen ist. Dies wären indes typische Vorgänge bei der Verteilung von Werbematerial durch ein Unternehmen im Zuge einer nicht an ausgewählte Adressaten gerichteten allgemeinen Werbeaktion. Regelmäßig werden in solchen Fällen, um viele Interessenten zu erreichen, in einem Gebiet flächendeckend in Briefkästen Werbeflyer verteilt. Dies entspricht allgemeiner Übung, die auch der Kammer aus eigener Erfahrung bekannt ist.
Hier aber wurden laut Tatbestand nur in dem Haus des Klägers 5 Flyer eingeworfen – ein flächendeckendes Verteilen war gerade nicht Gegenstand des Sachverhaltes. Damit sprach aber dann für das Landgericht auch keine Vermutung dafür, dass der Einwurf durch den Werbenden tatsächlich veranlasst wurde.
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