Sex im Auto (auf einem öffentlichen Parkplatz) ist strafbar (?)

Der juristische Evergreen-Irrglaube der Menschen von Jung bis Alt begeistert: Es sei strafbar, im Auto auf einem öffentlichen Parkplatz Sex zu haben. Hintergrund ist der §183a StGB, der ja auch in der Tat vom Wortlaut her ganz gut passt:

§183a StGB, Erregung öffentlichen Ärgernisses: Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit bis zu einem Jahr oder mit bestraft, wenn die Tat nicht in § 183 mit Strafe bedroht ist.

Der objektive Tatbestand ist kurz so zusammengefasst (nach Sch/Sch-Lenckner/Perron, §183a StGB, Rn.2):

  1. Vornahme sexueller Handlung,
  2. in der Öffentlichkeit,
  3. ein anderer beobachtet dies und
  4. nimmt an dem was er sieht „Anstoß“. (Punkt 3+4 sind zusammen das „Ärgernis“ im Tatbestand)

Mit dem Geschlechtsverkehr haben wir die sexuelle Handlung. Dabei ist es ohne Belang, ob man alleine ist oder mit mehreren oder was genau man da macht. Allerdings ist das reine „Nacktsein“ nicht ausreichend.

Öffentlich ist dies, sofern die Handlung wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann durch

  • Einen unbestimmten Personenkreis oder
  • einen zwar bestimmten Personenkreis, der aber keinerlei persönlichen Beziehungen zu den „Tätern“ hat.

Interessant ist dabei, dass es auf die Öffentlichkeit der Handlung, nicht auf die Öffentlichkeit des Ortes ankommt, was zu skurrilen Ergebnissen führen kann. Wenn etwa an einem öffentlichen Ort Vorkehrungen getroffen werden, damit Aussenstehende nichts wahrnehmen (Zuhängen der Fenster eines Autos oder „praxisnah“ des Wohnmobils) liegt schon keine Öffentlichkeit vor (so auch BGH in NJW 1969, S.853). Ich vertiefe an dieser Stelle nicht die ungeklärte Frage, wie sich eine gewisse Lautstärke auswirken kann, die auch ohne optische Wahrnehmung den Akt als solchen in die Öffentlichkeit trägt. Das Gegenbeispiel ist der Geschlechtsverkehr im (privaten!) Hausflur, der von der nahegelegenen Fabrik eingesehen werden kann (so bei BGHSt 11, 282). Die vielfach zu lesende Stellungnahme, ein Auto wäre „Privat“ und somit nicht Öffentlich ist damit am Ende auch schlicht falsch, da es ja – wie gerade ausgeführt – nicht auf die Öffentlichkeit des Ortes sondern die der Handlung ankommt.

Als nächstes muss ein anderer dies auch wirklich wahrnehmen, es reicht also nicht die reine Möglichkeit, dass es wahrgenommen wird. Sofern es zum Streitfall wird, wird zumindest der jeweilige Polizist den Vorgang wahrgenommen haben ;)

Im Weiteren muss nun, das ist letztlich das „Ärgernis“, das Scham- und Anstandsgefühl eines normal empfindenden Menschen, der sich ungewollt mit fremden sexuellen Handlungen konfrontiert sieht, betroffen sein. Eine „Überempfindlichkeit“ des konkret Betroffenen spielt somit keine Rolle. Und sofern Kinder das Ganze wahrnehmen, kann auf Grund von völligem „Nichtverständnis“ bei diesen ein Ausschluss des „Ärgernis“ vorliegen (so BGH in NJW 1970, S.1855).

Bis hierhin kann man ganz gut den Sex im Auto auf einem öffentlichen Parkplatz – selbst wenn die Fenster zugehängt sind – unter den §183a StGB subsumieren. Wohl auch der Grund, warum man so oft im Internet liest, dass „ganz klar“ eine Strafbarkeit vorliegt. Wie so oft, wenn sich Laien mit dem Strafrecht beschäftigen, fehlt aber bis hierhin ein wesentlicher Teil: Der Vorsatz, der so genannte subjektive Tatbestand. Und der ist gar nicht so simpel beim §183a StGB.

Einmal muss man bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vornahme sexueller Handlungen und Öffentlichkeit der Begehung haben. Das wird man durchaus problemlos annehmen können. Doch es geht weiter: Hinsichtlich der Erregung des Ärgernis ist Absicht oder Wissentlichkeit nötig, man muss also letztlich zielgerichtet oder mit eindeutigem Wissen das konkrete Ärgernis hervorrufen. Wie wahrscheinlich das ist, bringt Schönke/Schröder auf den Punkt (§183a StGB, Rn.6):

Bzgl. der Erregung von Ärgernis ist Absicht oder Wissentlichkeit erforderlich […] was die Vorschrift nahezu bedeutungslos machen dürfte.

So sieht es auch das OLG Bamberg (3 Ss 136/10) das 2011 dazu festgehalten hat: „Für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes exhibitionistischer Handlungen ist die Feststellung der sexuellen Motivation des Täters allein nicht ausreichend“ und sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung durch einen anderen als auch bzgl. der Erregung des Ärgernisses Absichtlichkeit verlangt.

Im Ergebnis also, sofern nicht jemand zielgerichtet das Ärgernis anstrebt (was letzten Endes auch ein Beweis-Problem sein wird), dürfte man die Strafbarkeit nicht erkennen können. Aber ich erlaube mir zum Schluss den Verweis auf §118 OWiG.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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