Erheblicher Schlag gegen Kryptokriminalität, aber das letzte Kapitel ist noch nicht geschrieben: Am 6. März 2025 schlugen internationale Strafverfolgungsbehörden zu: Die russisch geführte Kryptobörse Garantex wurde vom Netz genommen, Domains und Server beschlagnahmt, Wallets mit über 28 Millionen Dollar eingefroren. Die Plattform, über die laut US-Justizministerium Transaktionen im Wert von mindestens 96 Milliarden US-Dollar liefen, war ein zentraler Knotenpunkt für Geldwäsche, Ransomware-Erlöse und illegale Finanzströme.
Zwei Administratoren, darunter Aleksej Besciokov, wurden in den USA angeklagt – unter anderem wegen Verschwörung zur Geldwäsche, Verstoßes gegen US-Sanktionen und des Betriebs eines nicht lizenzierten Finanzdienstes.
Ein Lehrstück in digitaler Schattenfinanz
Garantex operierte zunächst aus Estland, verlor dort 2021 die Lizenz und verlegte seine Aktivitäten nach Moskau. Trotz bereits 2022 verhängter US-Sanktionen arbeitete die Plattform weiter – zunehmend im Verborgenen. Die Betreiber entwickelten technische Maßnahmen zur Verschleierung von Wallet-Adressen und nutzten US-Dienste heimlich weiter, um operative Infrastrukturen zu betreiben.
Brisant: Die Börse war laut Anklage aktiv in Geldflüsse von Ransomware-Gruppen wie Conti, Black Basta und Play verwickelt. Auch Verbindungen zur nordkoreanischen Lazarus-Gruppe sind dokumentiert. Laut US-Anklage wussten die Betreiber genau, was sie taten – und ließen verdächtige Konten trotz Warnungen aktiv.
Auffällig unauffällig: Frankfurt schweigt
Was allerdings ebenso auffällt: In der bislang groß gefeierten internationalen Kooperation fehlen zwei Stimmen, die man erwartet hätte – die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und Europol.
Gerade Frankfurt war in der Vergangenheit bei vergleichbaren Fällen federführend beteiligt. Dass von dort bislang kein offizielles Statement kam, ist bemerkenswert – und lässt tief blicken. Denn in Ermittlerkreisen gilt: Wer schweigt, arbeitet oft noch.
Es spricht für mich einiges dafür, dass weitere Ermittlungsmaßnahmen in Europa laufen. Die Dimension von Garantex, die nachgewiesenen Verbindungen nach Wien und München (Stichwort: Paper-Wallet-Scams auf Gehwegen), und die transnationale Struktur der Plattform deuten auf ein vielschichtiges Netzwerk hin, das möglicherweise erst an der Oberfläche angekratzt wurde.
Warum der Fall Garantex juristisch und strategisch etwas Besonderes ist
Anders als viele dubiose Börsen war Garantex nicht nur im Darknet unterwegs, sondern öffentlich zugänglich, mit Webseiten, YouTube-Kanal und eigenen Schulungsvideos – darunter Anleitungen, wie man Sanktionen umgeht. Ein Beispiel für die zunehmende Selbstverständlichkeit digitaler Parallelökonomien.
Und genau hier liegt der juristische Reiz des Falls: Die Anklage umfasst gleich drei schwere Straftatbestände – Geldwäsche, Sanktionsverstoß und unlizenzierter Finanzdienst. Es geht nicht nur um technische Umgehung, sondern um vorsätzliche, organisatorisch durchdachte Krypto-Kriminalität. Ein Phänomen, das zunehmend wie ein eigenes Wirtschaftssystem funktioniert – mit Token statt Dollar, aber mit ganz realer Macht.
Das Ende von Garantex ist vielleicht nicht das Ende der Geschichte
Dass die USA zusammen mit deutschen und finnischen Behörden einen solchen Schlag landen konnten, ist zweifellos ein großer Erfolg. Doch der auffällige Mangel an öffentlichen Reaktionen aus deutschen Zentralstellen und von Europol könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich hier um ein laufendes Kapitel handelt, nicht um einen Abschlussbericht.
Wir dürfen gespannt sein, ob in den nächsten Wochen weitere Server beschlagnahmt, Vermögenswerte eingefroren oder deutsche Nutzer und Mittelsmänner ins Visier geraten. Die internationale Kooperation im Cybercrime-Bereich ist hochaktiv – aber sie ist auch gerne strategisch still.
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