Meinungsdelikte im digitalen Gepäck? Die USA, Smartphones und der stille Export des Überwachungsstaates

Einreise verweigert – wegen eines falschen Tweets? Was noch vor wenigen Jahren wie paranoide Science-Fiction klang, scheint in der Praxis der US-Grenzbehörden längst angekommen zu sein: Wer in die Vereinigten Staaten reisen möchte, sollte besser zweimal überlegen, was auf dem Smartphone gespeichert ist – oder je gesagt wurde. Denn offenbar reichen schon kritische Meinungsäußerungen, um den Eintritt ins „Land der Freien“ zu verweigern.

Zwei aktuelle Fälle verdeutlichen diese Entwicklung exemplarisch:

  • Die deutsche Studentin Celine Flad wurde bei der Einreise in Newark festgesetzt, stundenlang befragt, inhaftiert, ihr Smartphone intensiv durchsucht – obwohl man offenbar nichts Belastbares fand. Nach 24 Stunden Abschiebung. Begründung? Keine.
  • Ähnlich gespenstisch ist der Fall eines französischen Wissenschaftlers, dem die Einreise zu einer Fachkonferenz verweigert wurde. Grund: Auf seinem Handy fanden sich Nachrichten, in denen er die Wissenschaftspolitik der Trump-Administration kritisch kommentierte. Die US-Behörden warfen ihm gar „Hassrede“ und potenziell „terroristische“ Inhalte vor – allein auf Basis von privaten Gesprächen.

Zufallsfund oder gezielte Vorprüfung?

Was diese Fälle so bedenklich macht, ist nicht nur das Verhalten an der Grenze. Es ist das Gefühl, dass da möglicherweise mehr im Spiel ist. Denn die Tiefe der digitalen – etwa 16 Stunden Bildschirmzeit auf Flads Handy – lässt einen simplen „Zufallsfund“ fragwürdig erscheinen. Die Hypothese liegt nahe: Die Daten, auf die Grenzbeamte zugreifen, könnten das Ergebnis vorbereitender Dossiers sein – gespeist aus öffentlichen Äußerungen, Kommunikationsprofilen und internationalen Datennetzen.

Das klingt nach Verschwörungstheorie – und doch ist es durch Echelon, PRISM und Snowden keineswegs neu. Dass die USA mithilfe der „Five Eyes“-Partner umfassende Kommunikationsüberwachung betreiben, ist belegt. Was, wenn längst Algorithmen potenzielle „Einreisefälle“ vorsortieren – nicht nur nach Visa-Status, sondern nach politischer Auffälligkeit? Zur Erinnerung, in Europa arbeiten wir mit iBorderCtrl an etwas Ähnlichem – nur dass wir nicht anhand von allgemeinen politischen Äußerungen filtern und das Projekt offen kommunizieren sowie wissenschaftlich begleiten lassen.

Wenn Meinungsfreiheit zur Sicherheitsfrage wird

Aus juristischer Sicht ist das ein Paradigmenbruch: Die USA beanspruchen, an ihren Außengrenzen souverän über Einreise zu entscheiden – selbst bei Vorliegen eines Visums oder ESTA. Das ist völkerrechtlich anerkannt. Doch die Praxis, Menschen wegen legaler Meinungsäußerungen abzuweisen, überschreitet eine Grenze. Sie importiert ein Verständnis von Sicherheitsstaatlichkeit, das mit liberal-demokratischen Werten kaum vereinbar ist.

Besonders gefährlich: Die Bewertung dessen, was „radikal“, „gefährlich“ oder „hasserfüllt“ ist, erfolgt intransparent, subjektiv und offenbar ohne rechtliches Gehör. Eine falsche Formulierung, ein Meme, ein kritischer Kommentar auf X (ehemals Twitter) – und schon kann der Flug in die USA im Gefängnis enden. Gerade vor dem Hintergrund, dass JD Vance in einem Auftritt, einzuordnen irgendwo zwischen obskur und lächerlich, ausgerechnet den Europäern die Einschränkung der vorwirft, muss es Sorge bereiten – denn es wird deutlich, dass die aktuelle Trump-Regierung damit meint, dass nur die eigenen Meinungen die “wahren Meinungen” sind.

Digitale Hygiene oder Selbstzensur?

Was tun? Die Electronic Frontier Foundation rät sinngemäß: „Bring nichts mit.“ Keine Daten, keine Probleme. Doch das ist keine Freiheit, sondern vorauseilender Gehorsam. Wer aus Angst vor Repression seine Gedanken, Reisedaten oder Kontakte löscht, bewegt sich längst in der Logik des Überwachungsstaats.

Gleichzeitig zeigt der Fall Flad: Selbst ein „sauberes“ Handy schützt nicht vor der Einreiseverweigerung, wenn Behörden „nach etwas“ suchen, das sich nicht finden lässt. Das lässt tief blicken – nicht nur in das Menschenbild der US-Grenzpolitik, sondern auch in ihre technische und strategische Infrastruktur. Und da bin ich noch nicht bei dem willkürlich-herrschaftlichen Prinzip, dass ohne Möglichkeit von Gegenwehr der jeweilige Grenzbeamte in einer Allmachtsstellung allein die Einreise verweigern kann.

Reisen in die USA: Was Sie über Kontrollen und Gepäck wissen sollten

Die Einreise in die Vereinigten Staaten erfolgt unter weitreichenden Kontrollbefugnissen der US-Behörden die es einem nicht leicht machen. Das betrifft nicht nur die klassische Pass- und Visumsprüfung – sondern insbesondere auch Ihr Gepäck und Ihre digitalen Geräte.

  • 🔍 Kontrollen ohne Ihre Anwesenheit: Die US-Behörde TSA (Transportation Security Administration) ist berechtigt, Ihr aufgegebenes Gepäck jederzeit und ohne Ihre Anwesenheit zu öffnen – auch gewaltsam, falls nötig. Ein Schloss am Koffer ist dabei eher hinderlich: Die TSA empfiehlt ausdrücklich, Gepäckstücke nicht abzuschließen, da es sonst zu Beschädigungen kommen kann. Nach erfolgter Durchsuchung wird eine Kontrollmitteilung ins Gepäck gelegt.
  • 📱 Digitale Durchsuchung von Smartphones, Laptops & Co.: An der Grenze dürfen US-Grenzbeamte elektronische Geräte durchsuchen und ggf. auch einbehalten. Das betrifft nicht nur sichtbare Inhalte wie Fotos oder Dateien, sondern auch Chatverläufe, Notizen oder Cloud-Zugänge. Es gibt keinerlei rechtlich gesicherten Anspruch auf Vertraulichkeit dieser Daten bei der Einreise – und keine Möglichkeit, sich wirksam gegen eine Durchsuchung zu wehren.
  • 🧾 Datenweitergabe und Vorauswertung: Bereits vor der Einreise übermitteln europäische Fluggesellschaften Buchungsdaten an die US-Behörden. Bei Ankunft werden zusätzlich biometrische Daten (, Fingerabdruck) erfasst. Auch kann die Angabe einer Adresse für den Aufenthalt verpflichtend sein. Wer keine Unterkunft angeben kann, riskiert die Zurückweisung.

Wie könnten Praxistipps für Reisende in dieser neuen Realitätaussehen, wenn man sich die Hinweise des Außenministeriums dazu ansieht:

  • Lassen Sie Koffer unverschlossen oder nutzen Sie TSA-konforme Schlösser.
  • Löschen Sie private oder sensible Inhalte auf digitalen Geräten, ohne es so aussehen zu lassen, als wollten Sie etwas verbergen.
  • Führen Sie Kopien Ihrer wichtigsten Dokumente getrennt vom Original mit.
  • Bewahren Sie Reiseplan, Hotelbestätigungen und Rückflugnachweis gut auffindbar auf.

Die Einreise in die USA erfolgt nicht nach Maßstäben europäischer Rechtsstaatlichkeit. Wer reist, übergibt sich einem System, das Sicherheit über Privatsphäre stellt – und Meinungen zunehmend als Risiko wertet.

Reisefreiheit im Zeitalter algorithmischer Verdachtsmomente

Wir stehen möglicherweise an der Schwelle eines neuen Grenzregimes – eines, das nicht nur geografisch funktioniert, sondern präventiv, digital und ideologisch. Wer reisen will, muss nicht nur seinen Pass, sondern auch seine Gesinnung präsentieren – oder sie besser gar nicht erst äußern. Diese Entwicklung sollten wir nicht achselzuckend hinnehmen. Denn was an den Grenzen der USA beginnt, könnte bald an anderen Flughäfen Schule machen. Wo Maschinen Meinungen bewerten, wird Meinungsäusserungsfreiheit zum Risiko.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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