Scheinselbstständigkeit: Rückabwicklung von Zahlungen

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zur Rückforderung von im Zuge einer gezahlten Beträgen weiter konkretisiert. Dabei hebt das BAG nunmehr hervor, dass wenn sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstellt, in der Regel nicht davon ausgegangen werden kann, dass die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als verabredet worden wäre (BAG, 5 AZR 178/18).

Das Problem liegt auf der Hand: Da ist jemand als freier Mitarbeiter beschäftigt, erhält auch Zahlungen und nun stellt sich heraus, dass er tatsächlich Arbeitnehmer ist. Der Arbeitgeber hat damit Jahrelang Beträge bezahlt, die vielleicht zu hoch gewesen sind. Wie geht man damit um?

Rückforderung zu viel gezahlter Beträge

Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar. War anstelle eines Honorars für die Tätigkeit im Arbeitsverhältnis eine niedrigere Vergütung zu zahlen, umfasst der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Vergütungen. Im Übrigen ist der Arbeitnehmer nicht ohne Rechtsgrund bereichert (siehe BAG, 5 AZR 175/04, 5 AZR 680/00 und Zusammenfassend ArbRB, 12/2019, S.359).

Dabei stellt das BAG klar, dass die für freie Mitarbeiter ausdrücklich getroffene Vergütungsvereinbarung nicht ohne Weiteres auch im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden kann:

Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Das betrifft nicht nur Risiken, gegen die Arbeitnehmer durch die gesetzliche Sozialversicherung abgesichert sind. Freie Mitarbeiter müssen zudem in Rechnung stellen, dass sie von Gesetzes wegen gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt sind als Arbeitnehmer. So haben sie bspw. keinen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub, sofern nicht die Voraussetzungen des § 2 Satz 2 BUrlG vorliegen, Feiertagsvergütung sowie – außerhalb von § 616 BGB – auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall und Vergütung in den Fällen des § 615 Satz 3 BGB.

Außerdem finden auf freie Mitarbeiter eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa das Kündigungsschutzgesetz, keine Anwendung und kommen ihnen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den damit verbundenen Privilegierungen nicht zugute (BGH 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67 – zu II 2 b aa der Gründe; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 59 Rn. 31; Staudinger/Richardi/Fischinger BGB (2019) § 619a Rn. 69; ErfK/Preis 19. Aufl. BGB § 619a Rn. 19). Es kommt hinzu, dass bei freien Dienstverträgen die Vergütung meist – wie im Streitfall – als „Honorar“ oder ähnlich bezeichnet wird und der Vertrag häufig Regelungen über die Abführung der enthält.

BAG, 5 AZR 178/18

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Kein Vertrauensschutz mangels frühzeitigem Antrages

Eine gerichtliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus auf Antrag des Mitarbeiters ist zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Rückzahlung überzahlter Honorare nicht grundsätzlich erforderlich (BAG, 5 AZR 706/05). Das Fehlen eines entsprechenden Antrags des Arbeitnehmers führt auch nicht dazu, dass ihm gegenüber dem Rückzahlungsverlangen des Arbeitgebers Vertrauensschutz zuzubilligen wäre – jedenfalls wenn der Arbeitgeber selbst nach der Kündigung des Rechtsverhältnisses mit der Klägerin ein sozialrechtliches Statusfeststellungsverfahren eingeleitet hat

Was zuerst wie ein Traum klingt, nämlich dass man überraschend sozial abgesicherter Arbeitnehmer ist, kann sich schnell zum finanziellen Albtraum entwickeln: Der Arbeitgeber hat Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen dem, was bisher gezahlt wurde und der für einen Arbeitnehmer in dieser Stellung üblichen Bruttoarbeitsvergütung. Dabei muss sich der Arbeitgeber zusätzlich die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen. Mit der hier getroffenen Entscheidung ist dann auch hervorgehoben, dass – zu Recht – die Vergütung eines freien Mitarbeiters nicht 1:1 als vermutete Vergütung des Arbeitnehmers herangezogen werden darf. Da auch noch die erst ab Klärung des Arbeitnehmer-Status läuft, stehen viele Jahre Rückabwicklung im Raum, was geradezu ruinös werden könnte.

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Jens Ferner

Rechtsanwalt

Verjährung läuft erst ab Kenntnis der Arbeitnehmerstellung

Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Die Frage ist aber, wann die Frist beginnt: Für den Beginn der regelmäßigen Verjährung kommt es nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar grundsätzlich darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Etwas anderes gilt jedoch, wenn und solange dem Gläubiger die Erhebung einer die Verjährung hemmenden unzumutbar war.

Hier nun stellt das Bundesarbeitsgericht klart, dass der Arbeitgeber die Überzahlung in der Regel erst im Zeitpunkt der rechtsbeständigen gerichtlichen Feststellung oder außergerichtlichen Klärung des Arbeitnehmerstatus erkennen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt kann dann damit von ihm erwartet werden, dass er seine Ansprüche wegen Überzahlung geltend macht. Eine frühere Inanspruchnahme des Mitarbeiters ist nicht zumutbar, weil vom Arbeitgeber ein widersprüchliches Verhalten verlangt würde.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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