Richtervorbehalt bei Blutproben: Richter wollen auch schlafen?

In dem zunehmend diffusen Streit, ob und wann der Richtervorbehalt bei Blutproben greift, meldet sich nun das OLG Bamberg (2 Ss OWi 1283/2009) mit einer weiteren Entscheidung. Das OLG stellt fest, dass zumindest in Bayern ein richterlicher Bereitschaftsdienst – entsprechend der Vorgaben des BVerfG – nur von 6 Uhr bis 21 Uhr besteht. Ausserhalb dieser Zeiten ist kein Richter zu erreichen, weswegen das OLG feststellt:

Es sei daher ausgeschlossen, gegen Mitternacht einen Ermittlungsrichter zu erreichen, weshalb der Polizeibeamte die Blutentnahme von vornherein selbst habe anordnen dürfen, entschieden die Bamberger Richter und korrigierten damit ein insoweit anderslautendes Urteil des Amtsgerichts Miesbach.

Auch dieses Urteil wird nicht ohne Widerspruch bleiben: Erste Gerichte – etwa das OLG Hamm (3 Ss 298/08) mit Blick auf Bielefeld – fordern zur Stärkung des Richtervorbehalts, dass in bestimmten Regionen ein umfassender Bereitschaftsdienst eingerichtet werden muss. In Bielefeld ging es um etwa 1000 Zangsmaßnahmen pro Jahr, die diesen Entschluss gestützt hatten. Die Zahl der Blutproben belief sich laut OLG Hamm auf:

Allein die Anzahl dieser Maßnahmen belief sich im Jahr 2006 auf 486 Fälle, im Jahr 2007 auf 429 Fälle und im Jahr 2008 auf 484 Fälle. Daraus errechnet sich ein Durchschnitt von, 1,33 Fälle/pro Tag für das Jahr 2008 und von 1,17 Fälle pro Tag für das Jahr 2007 allein im Bezirk des Polizei­präsidiums Bielefeld. Nach Mitteilung des Landrates der Kreispolizeibehörde Gütersloh vom 03.08.2002 wurden im dortigen Bezirk im Jahre 2007 345 und im Jahre 2008 454 Blutproben zur Nachzeit angeordnet, so dass sich für nur zwei Polizeibezirke (Kreis Gütersloh und Stadt Bielefeld) allein an Blutentnahmen im Jahre 2007 774 Fälle (= 2,12 Fälle/pro Tag) ergeben.

Dabei liest das OLG Hamm die Richtung des Bundesverfassungsgerichtes in dieser Frage grundlegend anders:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die erstmals 2004 veröffentlicht worden ist, ist ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst einzurichten, sobald nächtliche Maßnahmen, für deren Anordnung der Richtervorbe­halt gilt, nicht nur im Ausnahmefall anfallen. Angesichts dessen hätte durch die Justizverwaltung in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden müssen, ob ein solcher Eildienst im Bezirk des Landgerichts Bielefeld erforderlich ist. Dies ist aber seit 2004 nicht geschehen, obwohl das damals verwendete Zahlenmaterial unzureichend und ergänzungsbedürftig war und aktuelles Zahlenmaterial jedenfalls in Bezug auf zur Nachtzeit angefallene Blutentnahmen unschwer über die Polizei oder die Staatsanwaltschaften hätte besorgt werden können. Eine einmalige Überprüfung im Jahre 2004 reichte angesichts der Bedeutung des Richtervorbehalts nicht aus und kommt seiner Missachtung gleich. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12.03.2009, 3 Ss 31/09 – (BeckRS 2009, 10313) ausgeführt hat, handelt es sich bei der Entwicklung der Rechtsprechung zum Richtervorbehalt nicht mehr um eine ganz junge Entwicklung. Vielmehr ist die Bedeutung, die das Bundes­verfassungsgericht dem Richtervorbehalt grundsätzlich beimisst, mindestens mit der Entscheidung vom 20.02.2001 (NJW 2001, 1121) deutlich geworden. Angesichts dessen kann der oben geschilderte, sich nunmehr bereits über mehrere Jahre erstreckende Umgang der Justizverwaltung mit dem Richtervorbehalt nicht nur als ein einmaliges Versagen in der Organisation der Justizverwaltung eingestuft werden, sondern ist als eine grobe Fehlbeurteilung und nicht mehr vertretbare Missachtung der Bedeutung des Richtervorbehalts anzusehen, die zu der schwerwiegenden Folge führte, dass die zur Wahrung des Richtervorbehaltes auf jeden Fall im Jahre 2007 objektiv erforderliche Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Bereitschafts­dienstes unterblieb.

Auch das OLG Bamberg wird damit letztlich weniger Erhellung, als vielmehr weiteren Streit verursachen.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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