OLG Frankfurt a.M.: Keine Verjährungsverlängerung durch Mängelrüge per WhatsApp

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2023 (Az. 15 U 211/21) setzt ein klares Signal hinsichtlich der Nutzung moderner Kommunikationsmittel im Geschäftsverkehr.

Das Gericht entschied, dass eine per übermittelte Mängelrüge nicht das Schriftformerfordernis gemäß § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B erfüllt und daher keine Verjährungsverlängerung bewirken kann. Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, die formellen Anforderungen an rechtsgeschäftliche Erklärungen genau zu beachten.

Was entschied das OLG zu WhatsApp im Rechtsverkehr?

Schriftform und WhatsApp: Die zentrale Frage im Verfahren war, ob eine WhatsApp-Nachricht die Schriftform im Sinne der VOB/B wahren kann. Das Gericht stellte fest, dass dies nicht der Fall ist, und begründete dies wie folgt:

  • Technische Unsicherheiten: WhatsApp bietet keine hinreichend sichere Möglichkeit der dauerhaften Archivierung. Nachrichten können gelöscht oder verändert werden, was die Nachweisbarkeit beeinträchtigt.
  • Fehlende Zuordnungsmöglichkeit: Anders als bei einer E-Mail, die über Absenderinformationen und technische Merkmale eindeutig zugeordnet werden kann, ist bei WhatsApp-Nachrichten die Identität des Absenders allein anhand der Telefonnummer nicht zweifelsfrei feststellbar.
  • Warn- und Schutzfunktion der Schriftform: Das Formerfordernis soll die Erklärenden vor übereilten Handlungen schützen. Die Nutzung von WhatsApp als -Dienst widerspreche dieser Funktion, da die Plattform primär für den schnellen, informellen Austausch genutzt werde.

Auswirkungen auf die : Nach § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B beginnt mit der schriftlichen Mängelrüge eine zweijährige Verjährungsfrist neu zu laufen. Da die WhatsApp-Nachricht diese Formvorgabe nicht erfüllte, trat keine Verjährungsverlängerung ein. Die Ansprüche der Klägerin waren somit verjährt, und die wurde abgewiesen.

Keine Hemmung durch Verhandlungen: Das Gericht lehnte zudem eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB ab, da die Kommunikation über WhatsApp lediglich eine allgemeine Bereitschaft des Beklagten zur Prüfung der Mängel erkennen ließ. Eine rechtliche Anerkennung der Mängel oder substanzielle Verhandlungen wurden nicht festgestellt.

Praktische Implikationen

Die Entscheidung macht deutlich, dass WhatsApp im geschäftlichen Verkehr erhebliche Risiken birgt, insbesondere wenn es um formelle Mitteilungen wie Mängelrügen oder Fristsetzungen geht. Für Unternehmen und Rechtsanwender ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Vermeidung von WhatsApp für formale Mitteilungen: Nutzen Sie E-Mails oder schriftliche Dokumente, die rechtlichen und technischen Anforderungen an die Schriftform entsprechen.
  • Klarstellung von Kommunikationswegen: Verträge sollten explizit regeln, über welche Kommunikationswege formelle Erklärungen abgegeben werden dürfen.
  • Bewusstsein für Verjährungsfristen: Das Versäumnis, Fristen ordnungsgemäß zu wahren, kann erhebliche finanzielle Konsequenzen haben.

Abgrenzung zu aktueller Entscheidung des OLG München

Im Gegensatz dazu hatte das OLG München in seiner Entscheidung vom 11. November 2024 (Az. 19 U 200/24 e) WhatsApp-Nachrichten unter bestimmten Voraussetzungen als schriftformwahrend anerkannt. Während das OLG Frankfurt die unsichere Zuordnung und Archivierung als Hauptargument gegen WhatsApp anführte, fokussierte das OLG München auf die Möglichkeit, Nachrichten dauerhaft zu sichern und ihre Bedeutung im Kontext der gesamten Kommunikation zu bewerten.

Die Unterschiede sind jedoch erklärbar: Während es beim OLG Frankfurt um streng formalistische Anforderungen der VOB/B ging, hatte das OLG München eine offenere Interpretation des § 127 Abs. 2 BGB verfolgt, die stärker auf den Kontext und die Verkehrssitte abstellte.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. betont die Bedeutung formeller Anforderungen im Geschäftsverkehr und setzt eine klare Grenze für die Nutzung von WhatsApp bei rechtlich relevanten Erklärungen. Unternehmen sollten diese Entscheidung als Anlass nehmen, ihre internen Prozesse zu überprüfen und sicherzustellen, dass formelle Mitteilungen auf geeignete Weise erfolgen. Während digitale Kommunikationsmittel wie WhatsApp im Geschäftsalltag nützlich sein können, bleiben sie für rechtlich bindende Erklärungen eine unsichere Wahl.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

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