Love Scamming: Keine Haftung bei Weiterleitung betrügerisch erlangter Gelder

Zur zivilrechtlichen Einhegung des Geldwäschetatbestands im „Love-Scamming“-Kontext: In seinem Hinweisbeschluss vom 21. Januar 2025 (Az. 13 U 146/24) hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass ein Empfänger und Weiterleiter betrügerisch erlangter Gelder unter engen Voraussetzungen weder deliktisch noch bereicherungsrechtlich haftet.

Die Entscheidung betrifft ein Szenario, das zunehmend in der Praxis auftritt: sogenannte „Love-Scamming“-Fälle, bei denen Dritte – häufig ahnungslos – als Zwischenstation für Geldtransfers missbraucht werden. Das Gericht entwickelt die zivilrechtlichen Anforderungen an Leichtfertigkeit im Sinne von § 261 Abs. 5 StGB a.F. und die Grenzen des Bereicherungsrechts in diesem Kontext weiter.

Sachverhalt

Der Kläger war Opfer eines typischen „Love-Scamming“-Falls geworden: Nach einer digitalen Beziehung zu einer angeblich in Not geratenen Person überwies er in mehreren Tranchen insgesamt 54.625 € auf das Konto des Beklagten. Dieser leitete die Gelder – mit Ausnahme von 20 € – an eine dritte Person (Herr N.) weiter, angeblich zur Investition in Bitcoins.

Der Kläger begehrte die Rückzahlung in voller Höhe mit der Begründung, der Beklagte habe sich zumindest grob fahrlässig im Sinne des Geldwäschetatbestands nach § 261 StGB a.F. verhalten und sei zudem bereicherungsrechtlich zur Herausgabe verpflichtet. Das Landgericht Konstanz hatte die abgewiesen. Der Kläger legte Berufung ein.

Juristisch aufgeworfene Fragen und Argumentation des Gerichts

1. Deliktische Haftung wegen leichtfertiger Geldwäsche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 Abs. 5 StGB a.F.

Im Zentrum stand die Frage, ob der Beklagte zivilrechtlich haftet, weil er sich der leichtfertigen Geldwäsche schuldig gemacht habe. § 261 StGB a.F. wurde als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert, sodass bei einem Verstoß zivilrechtliche Ersatzansprüche in Betracht kommen können.

Das OLG unterstrich jedoch, dass der Maßstab der „Leichtfertigkeit“ im Strafrecht besonders streng auszulegen sei. Es genüge nicht, dass der Empfänger ungewöhnliche Zahlungsmodalitäten hinnimmt oder die Herkunft der Gelder nicht prüft. Vielmehr müsse sich nach der Sachlage „geradezu aufdrängen“, dass es sich um aus einer Katalogtat stammendes Geld handelt. Hinzu kommen müsse ein Handeln „aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit“.

Der Senat sah diese Schwelle nicht als überschritten an: Zwar habe der Beklagte ohne nähere Prüfung für einen Bekannten (Herr Dr. M.) Gelder eines Dritten empfangen und weitergeleitet. Die Umstände seien zweifelhaft, aber nicht so eindeutig, dass sich die kriminelle Herkunft aufgedrängt hätte. Auch die berufliche Vorbildung des Beklagten () reiche nicht aus, um automatisch auf ein „besonderes Wissen“ zu schließen, das zur Bejahung von Leichtfertigkeit führen würde.

2. Keine Schutzgesetzqualität der Normen des Geldwäschegesetzes

Der Kläger argumentierte zusätzlich mit einem Verstoß gegen Vorschriften des Geldwäschegesetzes (GwG), insbesondere im Hinblick auf unterlassene Prüfpflichten. Das OLG erteilte dieser Argumentation eine klare Absage: Die Normen des GwG dienten der Verhinderung und Aufdeckung von Geldwäsche im öffentlichen Interesse, seien aber nicht individualschützend. Daher fehle es an der erforderlichen Schutzgesetzqualität im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Diese Linie steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und unterstreicht, dass eine Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nicht ohne Weiteres zivilrechtliche Haftung nach sich zieht.

3. Bereicherungsrechtliche Ansprüche gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB

Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wurde vom OLG abgelehnt. Zwei Gründe waren ausschlaggebend: Zum einen handelte es sich nicht um eine Leistung des Klägers an den Beklagten – Letzterer war vielmehr reines Durchgangsglied in einem Dreiecksverhältnis. Zum anderen war der Beklagte entreichert im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB, da er die Gelder (bis auf 20 €) vollständig an Herrn N. weitergeleitet hatte.

Der Kläger konnte auch nicht beweisen, dass Bitcoins letztlich doch auf Namen oder Rechnung des Beklagten erworben wurden. Der Einwand, der Beklagte habe das Geld nur „formal“ weitergeleitet, blieb eine bloße Vermutung. Selbst wenn man dem Beklagten eine sekundäre Darlegungslast zubilligt, genügte sein Vortrag, die Mittel ohne eigenes Interesse und auf Weisung weitergeleitet zu haben.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Bewertung

Die Entscheidung ist juristisch konsequent und gesellschaftlich relevant. Sie bewahrt die Differenzierung zwischen einfacher Fahrlässigkeit und strafbewehrter Leichtfertigkeit – und schützt damit Personen, die ohne kriminelle Absicht in dubiose Transaktionen hineingezogen werden. Zugleich wahrt das Gericht die Systemgrenzen des Bereicherungsrechts, das keine rückwirkende Korrektur moralisch fragwürdiger, aber rechtlich irrelevanter Zahlungswege ermöglichen darf.

Bemerkenswert ist auch die Klarstellung, dass Normen des Geldwäschegesetzes keine zivilrechtliche Schutzfunktion entfalten. Diese Abgrenzung verhindert eine unangemessene Ausweitung privatrechtlicher Haftungsrisiken aus öffentlich-rechtlichen Pflichten.

Schlussfolgerung

Die Kernaussage des OLG Karlsruhe lautet: Nicht jede Unachtsamkeit bei der Entgegennahme und Weiterleitung von Geldern begründet eine deliktische oder bereicherungsrechtliche Haftung. Der Beschluss grenzt nachvollziehbar zwischen fahrlässigem und leichtfertigem Verhalten ab und bewahrt damit die juristische Proportionalität im Umgang mit missbräuchlich verwendeten Zahlungskanälen. Diese differenzierte rechtliche Ausbeute schützt nicht nur gutgläubige Dritte vor übermäßiger Inanspruchnahme, sondern wahrt auch die Systematik zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen im Spannungsfeld digitaler Betrugsstrukturen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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