Im Zuge der Novellierung der Vorschriften für Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke wurde das Konzept der „diätetischen Lebensmittel“ aufgegeben und durch europäische Vorschriften für Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen ersetzt. Die Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung ist seit dem 20. Juli 2016 in Kraft und ersetzt die „Diät-Richtlinie“ (Richtlinie 2009/39/EG) über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Sie wird auch als „Verordnung über Lebensmittel für besondere Verbrauchergruppen“ oder in der englischen Terminologie als FSG-Verordnung (engl. Foods for Specific Groups – FSG) bezeichnet.
Der Bundesgerichtshof (I ZR 68/21) konnte nun klarstellen, dass es sich bei einem Produkt um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 handelt, wenn krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll. Für eine solche Einstufung reicht es nicht aus, dass der Patient allgemein von dem Verzehr des Lebensmittels profitiert, weil die darin enthaltenen Stoffe der Erkrankung entgegenwirken oder deren Symptome lindern (so bereits EuGH, C-418/21):
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 sind Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke unter ärztlicher Aufsicht zu verwendende Lebensmittel zum Diätmanagement von Patienten, einschließlich Säuglingen, die in spezieller Weise verarbeitet oder formuliert werden; sie sind zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf bestimmt, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht. (…)
Das Erfordernis, dass das Lebensmittel hinsichtlich seiner Zusammensetzung, seiner Beschaffenheit oder seiner Form für die Ernährungsanforderungen angemessen ist, die durch eine Krankheit, eine Störung oder Beschwerden bedingt sind und denen es gerecht werden soll, schließt es aus, ein Erzeugnis allein deshalb als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke einzustufen, weil die Nährstoffe, aus denen es besteht, positive Auswirkungen in dem Sinne haben, dass sie dem Patienten allgemein einen Nutzen verschaffen und dazu beitragen, dessen Krankheit, Störung oder Beschwerden vorzubeugen, sie zu lindern oder sie zu heilen. Das Angemessenheitserfordernis veranschaulicht den spezifischen Charakter der Ernährungsfunktion der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. So kann ein Erzeugnis, das dem Patienten zwar allgemein einen Nutzen verschafft oder durch Nährstoffzufuhr einer Krankheit, einer Störung oder Beschwerden entgegenwirkt, aber keine solche Ernährungsfunktion hat, nicht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke eingestuft werden (vgl. EuGH, GRUR 2022, 1765 [juris Rn. 34 und 36] – Orthomol).
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat außerdem entschieden, dass der Begriff der Nährstoffe, an denen krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Bedarf besteht, der durch das Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke gedeckt werden soll, in der Verordnung nicht definiert ist. Maßgeblich ist die Nährstoffdefinition der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (…)
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 zeichnen sich durch ihre spezifische Ernährungsfunktion aus und enthalten Nährstoffe im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe s LMIV. Produkte, die Bakterien enthalten, die natürlicherweise im menschlichen Darm vorkommen, sind keine solchen Lebensmittel, da Bakterien keine Nährstoffe in diesem Sinne sind. Der Vertrieb und die Bewerbung von Produkten, die Bakterienkulturen enthalten, als „diätetisch“ ist irreführend, wenn diese Angabe den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert, es handele sich um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.
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