Haftung von Online-Marktplätzen für urheberrechtswidrige Angebote

Mit der Haftung von Online-Marktplätzen für urheberrechtswidrige Angebote hat sich der (I ZR 112/23) in einer Entscheidung beschäftigt: Im Zentrum des Falles stand die Frage, inwieweit ein Plattformbetreiber für rechtswidrige Inhalte haftet, die von Dritten auf seiner Plattform eingestellt werden.

Konkret ging es um die Fotografie „Manhattan Bridge“, die ohne Erlaubnis des Urhebers zur Bebilderung von Produktangeboten auf einer Handelsplattform genutzt wurde. Der Fotograf machte daraufhin Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft geltend. Der BGH bestätigte die Haftung des Plattformbetreibers für die öffentliche Zugänglichmachung des geschützten Werks, wies aber eine direkte Haftung für die Vervielfältigung der Fotografie zurück.

Sachverhalt

Der Kläger, ein britischer Fotograf, hatte die Fotografie „Manhattan Bridge“ angefertigt. Ohne seine Zustimmung wurde dieses Bild von Verkäufern genutzt, um tragbare Fernseher auf der Online-Handelsplattform der Beklagten zu bewerben. Die Fotografie erschien in mindestens zwei Verkaufsangeboten ohne Urhebervermerk.

Nachdem der Kläger die Beklagte auf die Rechtsverletzung hingewiesen hatte, wurden ähnliche Angebote weiterhin auf der Plattform veröffentlicht. Der Fotograf erhob daraufhin auf Unterlassung, Löschung, Schadensersatz und Auskunftserteilung. Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab der Klage weitgehend statt. Das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigte die Entscheidung, woraufhin die Beklagte Revision beim BGH einlegte.


Rechtliche Analyse

1. Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht

Der Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich hat, machte Ansprüche nach deutschem Urheberrecht geltend. Der BGH bestätigte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach der Brüssel-Ia-Verordnung und stellte fest, dass auf den Fall deutsches Urheberrecht anzuwenden ist. Dies folge aus der Rom-II-Verordnung, wonach bei Urheberrechtsverletzungen das Recht des Schutzlandes gilt – hier also Deutschland.

2. Haftung für öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG

Der BGH stellte klar, dass die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke nicht nur bei Video- oder Sharehosting-Plattformen relevant ist, sondern auch für Online-Marktplätze gilt.

Entscheidend sei, dass die Beklagte eine „zentrale Rolle“ bei der Verbreitung der rechtswidrigen Inhalte gespielt habe. Der Plattformbetreiber hafte als Täter, wenn er nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung keine angemessenen Maßnahmen ergreife, um gleichartige Rechtsverstöße zu verhindern.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Beklagte bereits im August 2018 über die rechtswidrige Nutzung seines Werks informiert. Dennoch tauchten im Oktober desselben Jahres neue Angebote mit der Fotografie auf. Der BGH sah hierin eine unzureichende Reaktion des Plattformbetreibers und bejahte dessen Haftung für die öffentliche Zugänglichmachung des Werks.

Damit konkretisiert der BGH die Prüfungspflichten von Online-Marktplätzen: Nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung muss der Betreiber nicht nur den betroffenen Inhalt entfernen, sondern auch sicherstellen, dass keine gleichartigen Verstöße mehr auftreten.

3. Keine Haftung für die Vervielfältigung nach § 16 UrhG

Hinsichtlich der Vervielfältigung der Fotografie auf den Servern der Beklagten kam der BGH zu einem anderen Ergebnis. Entscheidend sei, dass nicht die Beklagte, sondern die einzelnen Verkäufer die streitgegenständlichen Produktbilder hochgeladen hatten.

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Frage, wer Hersteller einer Vervielfältigung ist, auf die technische Durchführung an. Da die Beklagte keine eigenen Produktbilder erstellte, sondern lediglich die von Verkäufern hochgeladenen Inhalte speicherte, fehle es an der erforderlichen Tatherrschaft.

Eine Haftung als Teilnehmerin oder Gehilfin scheide ebenfalls aus, da die Beklagte weder bewusst noch vorsätzlich an einer Urheberrechtsverletzung mitgewirkt habe. Auch eine kam nicht in Betracht, weil sie keine Prüfungspflichten verletzt hatte, bevor sie vom Kläger auf die Rechtsverletzung hingewiesen wurde. Damit macht der BGH deutlich, dass die Grundsätze der Plattformhaftung für öffentliche Wiedergaben nicht auf die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke übertragbar sind.


Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung konkretisiert die Grundsätze der Intermediärshaftung und überträgt die für Video- und Sharehosting-Plattformen entwickelten Maßstäbe auf Online-Marktplätze. Sie verdeutlicht, unter welchen Bedingungen Plattformbetreiber für urheberrechtswidrige Inhalte Dritter zur Verantwortung gezogen werden können. Die Entscheidung hat damit durchaus weitreichende Konsequenzen für Betreiber von Online-Marktplätzen und vergleichbaren Plattformen. Sie bekräftigt die Übertragbarkeit der Intermediärshaftung auf E-Commerce-Plattformen und verpflichtet Betreiber, nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung proaktiv Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Verstöße zu ergreifen.

Gleichzeitig schützt der BGH Plattformbetreiber vor einer direkten Haftung für die Vervielfältigung rechtsverletzender Inhalte durch Dritte. Dies bestätigt das bewährte Prinzip, dass Plattformen nicht für alle Handlungen ihrer Nutzer uneingeschränkt verantwortlich sind, sondern erst dann, wenn sie trotz Kenntnis von Rechtsverstößen untätig bleiben.

Für Rechteinhaber bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Durchsetzungsmöglichkeiten: Sie können Plattformbetreiber wirksam in die Pflicht nehmen, wenn urheberrechtswidrige Inhalte auf einer Handelsplattform verbreitet werden. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass ihre Hinweise an Plattformbetreiber hinreichend konkret sind, um eine Prüfpflicht auszulösen.

Fazit

Der BGH hat mit dieser Entscheidung ein wichtiges Gleichgewicht zwischen der Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern und dem Schutz urheberrechtlicher Werke geschaffen. Während die Haftung für öffentliche Wiedergaben weiter geschärft wurde, bleibt die direkte Verantwortung für Vervielfältigungen begrenzt.

Hierdurch erhalten Online-Marktplätze klare Leitlinien für den Umgang mit Urheberrechtsverletzungen: Sie müssen nach Hinweisen auf Rechtsverstöße unverzüglich handeln und präventive Maßnahmen ergreifen, sind aber nicht verpflichtet, aktiv nach möglichen Rechtsverletzungen zu suchen. Diese differenzierte Herangehensweise trägt dazu bei, dass Urheberrechtsverletzungen effektiv bekämpft werden können, ohne dass Plattformbetreiber mit unangemessenen Haftungsrisiken überfordert werden. Die Entscheidung ist also letztlich ein wichtiger Schritt zur Fortentwicklung der Plattformhaftung im digitalen Zeitalter.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)
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