Gerade bei Wirtschaftsdelikten, die nicht selten mit dem Missbrauch einer Vertrauensstellung einher gehen, ist auf die Einhaltung des Doppelverwertungsverbots zu achten. Hier gilt, dass das Verbot der Doppelverwertung über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände erfasst, die -ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein- gerade den gesetzgeberischen Anlass für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind.
Hier gilt dann, dass bei einer Untreue mit der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht auch ein gewisses in den Täter gesetztes Vertrauen des Auftraggebers bzw. Dienstherren enttäuscht wird, insoweit typisch für diese Deliktsvariante ist:
Rechtsfehlerhaft ist es aber, im Rahmen der Gesamtwürdigung – ohne nähere Begründung – zu Ungunsten der Angeklagten zu werten, dass sie „ihren Arbeitgeber, der besonderes Vertrauen“ in sie gesetzt habe, in einer außergewöhnlichen Vielzahl von Fällen geschädigt habe. Unbestreitbar handelt es sich zwar um eine außer-gewöhnliche Vielzahl von Fällen. Indes ist nicht erkennbar, worin das besondere Vertrauen des Arbeitgebers bestanden haben soll. Allein der Umstand, dass die Angeklagte eine Vermögensbetreuungspflicht missbraucht hat, wie es für die Erfüllung des Tatbestands des § 266 StGB notwendig ist, reicht nicht (vgl. § 46 Abs. 3 StGB; zur ähnlich gelagerten Problematik der strafschärfenden Berücksichtigung einer bestimmten Vorsatzform bei Vorsatzdelikten vgl.: BGH, Urt. v. 10.01.2018 – 2 StR 150/15 – juris). Das Verbot der Doppelverwertung erfasst über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände, die – ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlass für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (BGH, Beschl. v. 07.06.2017 – 4 StR 186/17 = BeckRS 2017, 115077).
Dass bei einer Untreue mit der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht auch ein gewisses in den Täter gesetztes Vertrauen des Auftraggebers bzw. Dienstherren enttäuscht wird, ist typisch für diese Deliktsvariante. Der Umstand, dass das Kassenprogramm und das „Ausweisprogramm“ nicht miteinander verknüpft waren und es so ermöglicht wurde, Ausweisanträge zu bearbeiten, ohne eine Einnahmeverbuchung vornehmen zu müssen, womit eine entsprechende Kontrolle erschwert wurde, deutet zudem schon deswegen nicht zwangsläufig auf ein „besonderes“ Vertrauen des Arbeitgebers hin, weil nicht ersichtlich ist, dass ihm dieser Organisationsmangel und die dadurch hervorgerufene Manipulationsmöglichkeit überhaupt bewusst waren.
Oberlandesgericht Hamm, 4 RVs 75/19
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