Am 12. November 2024 befasste sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einer grundlegenden Entscheidung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Klage auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zulässig ist (Az. IX R 20/22). Im Kern ging es um die Abgrenzung zwischen dem Auskunftsanspruch nach der DSGVO und einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht sowie um die Frage, ob ein solcher Anspruch vor Gericht direkt geltend gemacht werden kann, ohne dass zuvor ein Antrag bei der betroffenen Behörde gestellt wurde.
Sachverhalt
Der Kläger hatte zuvor umfangreiche Klageverfahren gegen das beklagte Finanzamt geführt. Im Jahr 2019 beantragte er gemäß Art. 15 DSGVO schriftlich und unentgeltlich Auskunft darüber, welche personenbezogenen Daten das Finanzamt über ihn verarbeitet. Er forderte in diesem Zusammenhang eine vollständige Kopie aller Akten. Nachdem das Finanzamt um Klärung des Antrags gebeten hatte, zog der Kläger seinen Antrag zurück.
Ein Jahr später stellte der Kläger jedoch erneut eine Anfrage, die sich nach seinem Verständnis auf sämtliche im Finanzamt vorhandenen Unterlagen bezog. Gleichzeitig erhob er Klage, um das Finanzamt zur Auskunftserteilung zu verpflichten. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und gewährte lediglich eine beschränkte Akteneinsicht. Das Finanzgericht Münster wies die Klage als unzulässig ab, da es an einem außergerichtlich gestellten und aufrechterhaltenen Auskunftsantrag fehle. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.
Rechtlicher Hintergrund
Das Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO dient dazu, dass betroffene Personen nachvollziehen können, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden und zu welchen Zwecken dies geschieht. Dieses Auskunftsrecht unterscheidet sich grundlegend von einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht. Während letzteres in erster Linie der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen dient, ermöglicht Art. 15 DSGVO die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung selbst.
Die DSGVO schreibt vor, dass der Verantwortliche – in diesem Fall das Finanzamt – bei einem entsprechenden Antrag präzise und umfassend Auskunft erteilen muss. Die Art der Informationen umfasst unter anderem die Zwecke der Datenverarbeitung, die Kategorien der verarbeiteten Daten und die Empfänger dieser Daten. Eine solche Auskunft ist in der Regel innerhalb eines Monats zu erteilen.
Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts und wies die Revision des Klägers zurück. Er stellte klar, dass eine Klage auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO nur dann zulässig ist, wenn zuvor ein ordnungsgemäßer Antrag bei der Behörde gestellt wurde. Ohne diesen Antrag fehle es an der erforderlichen „Beschwer“ im Sinne der Finanzgerichtsordnung (FGO), die eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage darstellt.
Das Gericht betonte, dass die DSGVO keine abweichende Regelung vorsieht. Insbesondere der in Art. 79 DSGVO geregelte gerichtliche Rechtsbehelf setzt voraus, dass zunächst die Behörde Gelegenheit zur Entscheidung über den Antrag hatte. Die nationalen Verfahrensvorschriften, wie etwa § 40 Abs. 2 FGO, bestimmen, wie dieser Rechtsbehelf durchzuführen ist.
Im konkreten Fall sah der BFH weder im ursprünglichen Antrag von 2019 noch im späteren Schreiben von 2020 einen relevanten Auskunftsantrag. Während der erste Antrag ausdrücklich zurückgezogen wurde, richtete sich das spätere Schreiben nicht auf eine Auskunftserteilung im Sinne von Art. 15 DSGVO, sondern auf eine umfassende Akteneinsicht. Da das Akteneinsichtsrecht und das Auskunftsrecht unterschiedliche Ziele verfolgen, konnte letzteres nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sein.
Bedeutung des Urteils
Diese Entscheidung des BFH verdeutlicht die rechtlichen Anforderungen an die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach der DSGVO. Für betroffene Personen bedeutet dies, dass ein solcher Anspruch nur dann erfolgreich durchgesetzt werden kann, wenn er zunächst bei der verantwortlichen Behörde geltend gemacht wurde. Dies dient nicht nur der Verfahrensökonomie, sondern auch der Wahrung der Kompetenzen der Behörden.
Zugleich unterstreicht das Urteil die Abgrenzung zwischen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten. Während Art. 15 DSGVO darauf abzielt, Transparenz in der Datenverarbeitung zu schaffen, zielt die Akteneinsicht auf die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen ab. Dieses Verständnis ist essenziell, um Missverständnisse in der rechtlichen Praxis zu vermeiden.
Fazit
Das Urteil des BFH klärt wesentliche Fragen zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen nach der DSGVO und stärkt die Bedeutung eines geordneten Verwaltungsverfahrens. Es verdeutlicht, dass der Weg zum Gericht nicht ohne vorherige Antragstellung beschritten werden kann. Gleichzeitig zeigt es, wie wichtig eine präzise Abgrenzung zwischen verschiedenen Rechtsansprüchen ist, um den spezifischen Zielen der Datenschutz-Grundverordnung gerecht zu werden.
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