BGHSt 19, 387 – Dienstmützenfall

Der Sachverhalt ist denkbar einfach, die Problematik hat aber schon manchen Anfänger zur Verzweiflung getrieben: Ein Soldat muss am Ende seiner Dienstzeit seine Uniform zurückgeben – da stellt er fest, dass seine Mütze fehlt. Kurzerhand nimmt er von einem anderen Soldaten die Mütze und gibt sie als seine zurück. Liegt ein vor? Knackpunkt ist hier die Zueignungsabsicht, die der BGH verneint hat. In der Falllösung bitte an den letzten Satz unten denken: Der (versuchte) ist der Einstieg in die weitere Prüfung.

Links dazu:

Das Urteil:

Ein Soldat, der einem Kameraden einen Dienstgegenstand wegnimmt, um ihn als Ersatz für einen von ihm empfangenen, aber verlorenen (oder ihm abhanden gekommenen) bei der Abmusterung auf der Bekleidungskammer abzugeben, handelt nicht in Zueignungsabsicht.

[…]

Das Oberlandesgericht Celle hat dem Senat gemäß § 121 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Ist das Merkmal der Zueignung im Sinne des § 242 StGB auch dann zu bejahen, wenn ein Soldat einem Kameraden einen Dienstgegenstand wegnimmt, um ihn als Ersatz für einen von ihm empfangenen, aber verlorenen (oder ihm abhanden gekommenen) bei der Abmusterung auf der Bekleidungskammer abzugeben?“

Das Oberlandesgericht möchte die Frage verneinen. Es sieht sich hieran durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt in NJW 1962, 1879 vom 13. Juni 1962 gehindert. Da das Oberlandesgericht Frankfurt die jetzt dem vorgelegte Frage bejaht und deshalb die Verurteilung wegen Diebstahls bestätigt hat, will also das vorlegende Oberlandesgericht von dieser Entscheidung abweichen. Dennoch sind die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Denn das Oberlandesgericht in Frankfurt ist bei seiner Entscheidung vom 13. Juni 1962 von der – allerdings nicht veröffentlichten – Entscheidung des Bundesgerichtshofs 5 StR 505/61 vom 28. November 1961 abgewichen.

Auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falle hatte der Angeklagte eine Sache weggenommen, weil er über ihre Identität mit einem gleichartigen Gegenstand täuschen wollte, um möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen sich abzuwenden, und der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung wegen schweren Diebstahls aufgehoben. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil ausgeführt, der Angeklagte habe nicht die Absicht gehabt, die Sache sich rechtswidrig zuzueignen.

Er habe sie nicht in sein Vermögen überführen wollen; vielmehr über die Identität der (ausgetauschten) Sache täuschen wollen, um möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen sich abzuwenden. Auf diese Täuschung, nicht auf die Zueignung sei sein Wille abgestellt gewesen. Es sei zu prüfen, ob Betrug in Frage komme.

Daß es sich bei dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falle nicht um einen Soldaten handelte, der einen Dienstgegenstand weggenommen hat, ist nach Ansicht des Senats nicht von Bedeutung.
Die Frage, ob im vorliegenden Falle der Angeklagte sich eines (versuchten) Betruges schuldig gemacht hat, ist nicht Gegenstand des Vorlegungsbeschlusses.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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