Luftbildaufnahmen von Prominenten-Domizilen: Mit Urteil vom 5. November 2024 (Az. VI ZR 110/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung zur Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Veröffentlichung eines Luftbilds eines Feriendomizils eines prominenten Ehepaars, das aus einem Verkaufsprospekt stammte, ohne deren Zustimmung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstößt. Der Senat nutzte den Fall, um zentrale dogmatische Linien des Privatsphärenschutzes zu klären und die Maßstäbe für die Abwägung mit der Pressefreiheit zu präzisieren.
Sachverhalt
Die Kläger, ein ehemaliger Formel-1-Weltmeister und seine Ehefrau, wehrten sich gegen einen Artikel in der Zeitschrift „FREIZEIT SPASS“, in dem ein gemeinsamer Urlaub der Familie auf Mallorca thematisiert wurde. Begleitet war der Bericht von einer Luftaufnahme des Ferienanwesens, welche aus einem früheren Immobilien-Exposé stammte. Während die Wortberichterstattung weitgehend unbeanstandet blieb, wandten sich die Kläger insbesondere gegen die Veröffentlichung des Luftbilds unter Namensnennung.
In den Vorinstanzen hatten die Kläger Erfolg, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte den Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffs in die Privatsphäre. Der BGH hingegen hob diese Entscheidung auf – mit einer präzisen Differenzierung zwischen Eingriff und Rechtswidrigkeit.
Juristische Analyse
Eingriff in die Privatsphäre: Ja – aber nicht automatisch rechtswidrig
Der BGH bestätigte, dass durch die Veröffentlichung des Luftbilds in die Privatsphäre der Kläger eingegriffen wurde. Maßgeblich sei, dass das Anwesen in einer abgeschirmten Wohnanlage („Gated Community“) liege und den Klägern als Ort der Erholung diene. Der Umstand, dass das Grundstück ansonsten der Öffentlichkeit nicht einsehbar war und die Aufnahme eine gewisse Innenansicht vermittelte – wenn auch aus der Luft –, genüge für die Annahme eines Eingriffs.
Dabei bekräftigt der Senat seinen gefestigten Grundsatz, wonach die Privatsphäre auch räumlich zu verstehen ist: Wer einen geschützten Rückzugsort aufsucht, etwa ein durch Mauern oder Lage abgeschirmtes Grundstück, kann erwarten, dort unbeobachtet zu bleiben. Selbst dann, wenn keine explizite Intimsphäre betroffen ist, vermag die Veröffentlichung solcher Einblicke in private Räume eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu begründen.
Abwägung mit der Meinungsfreiheit: Der Maßstab der Erkennbarkeit und Reichweite
Entscheidend war letztlich, ob dieser Eingriff auch rechtswidrig war – eine Frage, die in der Güterabwägung mit der Meinungsfreiheit zu beantworten ist. Der BGH legte hier einen besonders differenzierten Maßstab an. Aufseiten der Presse spreche zunächst ein legitimes öffentliches Interesse. Prominente – auch außerhalb ihrer aktiven Laufbahn – seien Teil des öffentlichen Lebens. Die Darstellung ihrer Urlaubsdomizile sei nicht per se voyeuristisch, sondern könne Teil der gesellschaftlichen Debatte über Lebensstile, Vermögen und Vorbildfunktion sein.
Zugleich wies der BGH darauf hin, dass das abgebildete Anwesen selbst keine intimen oder identifizierenden Details preisgibt. Die Luftaufnahme zeigte weder Personen noch persönliche Gegenstände und war – gerade weil sie aus Verkaufsunterlagen stammte – in hoher Abstraktion gehalten. Der Artikel selbst nannte Mallorca als Insel, nicht jedoch die konkrete Lage des Grundstücks.
Das Berufungsgericht hatte den Schutzbereich überdehnt, indem es auf einen „Nachahmereffekt“ abstellte: Wer die Lage kenne, könne künftig Drohnen einsetzen und das Anwesen gezielt beobachten. Der BGH widerspricht diesem Argument mit Nachdruck. Der Artikel und das Bild hätten gerade keine Lokalisierung ermöglicht. Eine allgemeine Möglichkeit zur Identifizierung – etwa über Google Earth – reiche für die Rechtswidrigkeit nicht aus. Es bedürfe einer konkreten Erleichterung der Auffindbarkeit durch die Medienberichterstattung selbst, die hier nicht vorlag.
Herkunft der Aufnahme: Keine „Ausspähung“
Ein weiterer Punkt betraf die Art und Weise, wie das Bild gewonnen wurde. Anders als bei Paparazzi-Aufnahmen oder Drohnenspionage war die streitgegenständliche Luftaufnahme ursprünglich legal im Rahmen eines Immobilienverkaufs angefertigt worden. Damit entfällt jeder Anschein einer bewussten Überwachung oder gezielten Aufdeckung. Diese Differenzierung wirkt sich auf die Intensität des Eingriffs aus, die der BGH im vorliegenden Fall als gering einstuft.
Die Richter machten klar, dass das Bild als rein illustrative Ergänzung einer harmlosen Berichterstattung zu werten sei – nicht als gezielte Entblößung privater Lebensverhältnisse. Der Schutz der Privatsphäre ist kontextabhängig, und wo keine konkrete Gefährdung der Rückzugsfunktion besteht, überwiegt im Zweifel das Recht auf freie Berichterstattung.
Ergebnis
Die Entscheidung bringt eine wohltuende Klarheit in ein juristisch und gesellschaftlich sensibles Spannungsfeld. Der BGH hält am Schutz privater Rückzugsräume fest, betont aber zugleich, dass nicht jede Abbildung eines prominenten Wohnsitzes automatisch einen rechtswidrigen Eingriff bedeutet. Vielmehr bedarf es – wie stets im Persönlichkeitsrecht – einer sorgfältigen Abwägung unter Berücksichtigung von Kontext, Informationswert und Erkennbarkeit. Die Schlussfolgerung lautet: Sichtbarkeit allein begründet noch keine Unzulässigkeit – entscheidend bleibt die konkrete Wirkung der Berichterstattung.
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