Anforderungen an Durchsuchungsanordnungen und Verjährungsunterbrechung im Steuerstrafrecht

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Januar 2024 (Az.: X R 7/22) behandelt wesentliche Fragen zur Verjährungsunterbrechung und Ablaufhemmung in steuerlichen Verfahren, insbesondere durch Durchsuchungsanordnungen. Die Entscheidung betont die Bedeutung rechtsstaatlicher Anforderungen an solche Anordnungen und bietet wichtige Leitlinien für Finanzbehörden, und betroffene Steuerpflichtige.

Im Zentrum stehen vier zentrale Aspekte, die sich mit den Verjährungs- und Ablaufhemmungsvorschriften sowie den Mindestanforderungen an Durchsuchungsbeschlüsse beschäftigen.

Wesentliche Aspekte der Entscheidung

1. Nur richterliche oder behördliche Anordnungen unterbrechen die Verjährung

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG unterbrechen nur – oder Durchsuchungsanordnungen der Verfolgungsbehörde oder eines Richters die Verfolgungsverjährung. Anordnungen von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft – etwa Steuerfahndern – haben diese Wirkung nicht.

Hintergrund:
Der BFH betont, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen den Anordnungen von Verfolgungsbehörden und Ermittlungspersonen unterscheidet. Die verjährungsunterbrechende Wirkung erfordert eine richterliche Prüfung oder eine Entscheidung der zuständigen Behörde. Die Maßnahme eines Steuerfahnders reicht nicht aus, da sie keine vergleichbare institutionelle Unabhängigkeit genießt.

Praxis-Tipp für Steuerberater:
Prüfen Sie die formalen Voraussetzungen von Anordnungen, die gegen Mandanten ergangen sind. Maßnahmen, die von Ermittlungspersonen getroffen wurden, entfalten keine unterbrechende Wirkung.

2. Inhaltliche Mindestanforderungen an Durchsuchungsanordnungen

Der BFH stellte klar, dass Durchsuchungsanordnungen angesichts ihrer Grundrechtsrelevanz konkrete Angaben enthalten müssen. Dazu gehören:

  • Tatvorwurf: Eine präzise Beschreibung des strafrechtlich relevanten Verhaltens. Schlagworte reichen nicht aus.
  • Beweismittel: Eine Angabe zur Art und zum denkbaren Inhalt der Beweismittel, auf die sich die bezieht.

Fehlen diese Angaben, entfaltet die Anordnung keine verjährungsunterbrechende Wirkung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG.

Bedeutung für Steuerpflichtige:
Formell unzureichende Anordnungen können nicht als Grundlage für die Verjährungsunterbrechung dienen. Betroffene sollten darauf achten, ob die Mindestanforderungen erfüllt sind.

3. Prüfungspflichten der Finanzgerichte

Das Finanzgericht muss prüfen, ob die inhaltlichen Anforderungen an eine Durchsuchungsanordnung erfüllt sind, wenn diese für die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO relevant ist. Es darf dies nicht als gegeben unterstellen, sondern muss konkrete Feststellungen treffen.

Relevanz:
Im entschiedenen Fall hatte das Finanzgericht Münster dies versäumt, was zur Aufhebung des Urteils führte. Die Verpflichtung zur Prüfung obliegt insbesondere, wenn Akten vernichtet wurden und die Inhalte nicht mehr nachvollziehbar sind.

Für Steuerberater:
Bei der Beratung von Mandanten ist darauf zu achten, ob Verfahrensmängel oder formelle Fehler in der Prozessführung geltend gemacht werden können.

4. Tatbestandswirkung nur bei Möglichkeit zur Anfechtung

Ein entfaltet gegenüber der Finanzbehörde und dem Finanzgericht Tatbestandswirkung nur dann, wenn der Betroffene die Möglichkeit hatte, den Beschluss anzufechten. Wurde der Beschluss nicht bekanntgegeben oder vollzogen, fehlt es an dieser Möglichkeit, und die Tatbestandswirkung tritt nicht ein.

Folgerungen:

  • Die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses kann im Steuerfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht erneut überprüft werden.
  • Jedoch setzt dies voraus, dass der Beschluss dem Betroffenen bekannt war und ein Rechtsmittel tatsächlich möglich war.

Wichtig für die Praxis:
Wenn Mandanten keine Gelegenheit zur Anfechtung hatten, kann die Tatbestandswirkung angezweifelt und angegriffen werden.


Fazit

Das Urteil des BFH (X R 7/22) setzt hohe Maßstäbe für die formelle und inhaltliche Ausgestaltung von Durchsuchungsanordnungen. Es stärkt die Rechte der Steuerpflichtigen und zeigt, wie wichtig es ist, formelle Anforderungen an behördliche Maßnahmen zu prüfen. Steuerberater sollten ihre Mandanten proaktiv unterstützen, indem sie Verfahrensfehler aufdecken und strategische Verteidigungsansätze entwickeln.

Empfehlungen:

  • Überprüfen Sie bei steuerlichen Verfahren stets die formellen Grundlagen der Ermittlungsmaßnahmen.
  • Nutzen Sie Verfahrensfehler, um verjährungsunterbrechende Maßnahmen oder Ablaufhemmungen anzufechten.
  • Informieren Sie Mandanten über ihre Rechte und die Möglichkeiten zur Überprüfung von behördlichen Maßnahmen.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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