Zur Grenze der informatorischen Befragung – Der Beamte lügt nicht!

Die so genannte „informatorische Befragung“ ist ja sowas wie Anwalts Liebling: Die Ermittlungsbehörde (Polizei) kann mit dem BGH bei einem „nicht ausreichend verdichteten Tatverdacht“ durchaus auf die Belehrung hinsichtlich eigener Rechte verzichten und frei heraus den Betroffenen befragen. Dieser plappert erfahrungsgemäß auch gerne drauf los. Beim OLG Zweibrücken (1 SsBs 2/10) ging es nun wieder einmal um die Frage, wo die Grenze der „informatorischen Befragung“ zu sehen ist, also um die Frage, wann zwingend der Befragte über seine Rechte (vor allem das Recht zu Schweigen) zu belehren ist. Dass dabei der Betroffene nicht mit Verstand gesegnet sein kann, zeigt schon der Umstand, dass er einen Bekannten von einer Polizeiinspektion abholen wollte. Nicht nur, dass er kurz vorher noch konsumierte: Er musste auch noch mit dem Auto hinfahren.

Vor Ort gewann der Polizeibeamte den Eindruck, der Betroffene stünde unter dem Einfluss von Drogen. Daraufhin fragte der Beamte diesen, wie er in den Ort gekommen sei, was der Betroffene mit dem Hinweis auf seinen PKW beantwortete. Daraufhin wurde er ordentlich belehrt, vernommen und erhielt am Ende eine Geldbuße und ein . Der Betroffene sah ein Verwertungsverbot, da er früher hätte belehrt werden müssen – das OLG Zweibrücken hat dies abgelehnt.

Die Begründung des OLG ist interessant, sicherlich vertretbar wenn auch für mich stark gekünstelt:

Der Tatbestand der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG setzt einerseits einen durch den Genuss von Drogen geschaffenen körperlichen Zustand voraus, und andererseits, dass in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt wird. Die Wahrnehmungen des Polizeibeamten deuteten zunächst nur auf den Einfluss von Drogen hin. Der Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs wurde erst durch die Antwort hergestellt, die der Betroffene auf die an ihn gestellte erste Frage gegeben hatte.

Der Polizist erkennt also mit geschultem Auge einen Drogenkonsum. Er vermutet eine Fahrt unter Drogeneinfluss und fragt gezielt nach – aber erst die Antwort hat den Zusammenhang hergestellt und kann deswegen getrennt von der Frage betrachtet werden? Da fragt man sich, warum der Beamte überhaupt gefragt hat, wenn es keinerlei Zusammenhang vor der Frage geben könnte.

Schlimmer als diese vertretbare (und verbreitete) Meinung ist aber die Entscheidung über die Frage, ob der Betroffene danach überhaupt belehrt wurde. Der Polizeibeamte meinte, diesen umgehend belehrt zu haben – der Betroffene meinte, eine solche Belehrung sei unterblieben. Das Gericht folgt der Darstellung des Polizeibeamten:

Ob, wie im Urteil unterstellt, im Anschluss an die zunächst durchgeführte informatorische Befragung die nach § 163a Abs. 4 StPO vorgeschriebene Belehrung erteilt wurde, hatten das Amtsgericht und nunmehr der Senat im Freibeweisverfahren zu klären. Nr. 45 Abs. 1 RiStBV schreibt zwar vor, dass auch die polizeiliche Belehrung aktenkundig zu machen ist, was hier unterblieben ist. Dies stellt aber lediglich ein Indiz im Rahmen der freibeweislichen Würdigung dar; absolute Beweiskraft kommt dem nicht zu. Ein Verwertungsverbot scheidet dabei bereits dann aus, wenn sich hinreichend verlässliche Anhaltspunkte für eine Belehrung ergeben; der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt nicht

Und was das bedeutet, stellt das OLG sodann klar:

Der Senat sieht hier keine Gründe, um die Wertung des Amtsgerichts in Zweifel zu ziehen, wonach aufgrund der glaubhaften Angaben P. von einer rechtzeitigen Belehrung auszugehen war;

Eben, der Polizeibeamte lügt nun einmal nicht. Warum auch.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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