Mit Beschluss vom 19. März 2025 (Az. IV-2 ORbs 128/24) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Rechtsbeschwerde gegen eine bußgeldrechtliche Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die kommunale Baumschutzsatzung zurückgewiesen und dabei grundlegende Fragen zur Wirksamkeit von Bußgeldtatbeständen bei veralteten Gesetzesverweisen sowie zur Differenzierung von Tatbestands- und Verbotsirrtümern geklärt. Die Entscheidung bringt Licht in eine Praxisproblematik, die aus der fortschreitenden Gesetzgebung resultiert, wenn Satzungen noch auf nicht mehr existierende Vorschriften verweisen, ohne dass ihre Gültigkeit angetastet wird.
Hintergrund und Ausgangssituation
Der Betroffene hatte eine Zierkirsche im eigenen Garten fällen lassen, ohne zuvor eine erforderliche Ausnahmegenehmigung einzuholen. Die Fällung wurde durch einen Mitarbeiter des örtlichen Umweltamts dokumentiert. Da es sich bei dem Baum um ein geschütztes Exemplar im Sinne der Baumschutzsatzung handelte, verurteilte das Amtsgericht Duisburg den Betroffenen wegen vorsätzlichen Handelns zu einer Geldbuße in Höhe von 750 Euro. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein. Dabei rügte er unter anderem, dass die Satzung auf eine außer Kraft getretene Vorschrift des Landschaftsgesetzes verweise und die Aussage des Umweltamtsmitarbeiters unzulässig verwertet worden sei.
Juristische Würdigung
Das OLG Düsseldorf ließ diese Argumente nicht gelten. Zunächst befasste sich das Gericht mit der Frage, ob der Verweis in der Baumschutzsatzung auf die nicht mehr existierende Vorschrift des § 70 Abs. 1 Nr. 17 des alten Landschaftsgesetzes Nordrhein-Westfalen die Wirksamkeit der Satzung beeinträchtige. Dies wurde mit überzeugender Begründung verneint. Maßgeblich sei, ob sich mit juristischer Auslegung hinreichend sicher erschließen lasse, welche neue Norm an die Stelle der alten getreten sei. Genau das sei hier der Fall: Der geltende § 77 Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG NRW enthalte eine inhaltlich vergleichbare Ermächtigung, die den Satzungsgeber zur Normierung entsprechender Verbote und Sanktionen berechtige. Es liege lediglich eine Umbenennung und Neufassung des Gesetzes vor, nicht aber eine inhaltlich neue oder abweichende Regelung, sodass der Rückgriff auf die ursprüngliche Satzung weiterhin rechtssicher möglich sei. Auch verfassungsrechtlich sei das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht verletzt.
Ebenfalls zurückgewiesen wurde der Einwand, es habe ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Zeugenaussage des Umweltamtsmitarbeiters bestanden. Die Verteidigung hatte geltend gemacht, der Betroffene sei im Rahmen der ersten Befragung durch den Zeugen nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Das Gericht sah in der Rechtsbeschwerde jedoch keine hinreichend konkretisierte Verfahrensrüge, da insbesondere Angaben zu Inhalt und Umständen der vermeintlich fehlerhaften Befragung fehlten.
Auch materiell-rechtlich ließ sich kein Fehler erkennen. Die Zierkirsche erfüllte offenkundig die in der Satzung normierten Schutzkriterien, und der Betroffene hatte die Fällung wissentlich und ohne Genehmigung beauftragt. Ein Tatbestandsirrtum wurde zu Recht ausgeschlossen. Die Richter stellten dabei auf eine differenzierende Betrachtung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum ab: Da es sich bei der Baumschutzsatzung um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt, begründet der Irrtum über die Genehmigungsbedürftigkeit keinen Tatbestandsirrtum, sondern lediglich einen Verbotsirrtum, der den Vorsatz unberührt lässt. Nur wenn für ein solches Missverständnis konkrete Anhaltspunkte bestünden, hätte sich das Gericht mit einem möglichen Verbotsirrtum näher befassen müssen – dies sei hier nicht der Fall gewesen.
Das Amtsgericht habe ferner zutreffend auf die subjektive Tatseite geschlossen. Es sei dem Betroffenen nicht entgangen, dass es sich bei dem entfernten Baum um ein stattliches Gehölz mit mehreren Stämmen und einem Gesamtumfang von deutlich über 60 cm gehandelt habe – ein Grenzwert, der die Schutzwürdigkeit nach der Satzung ohne Weiteres auslöst. Die Feststellung eines Vorsatzes sei daher naheliegend und bedurfte keiner vertieften Begründung.
Ergebnis
Der Düsseldorfer Senat bestätigt mit bemerkenswerter dogmatischer Klarheit, dass selbst veraltete gesetzliche Verweisungen in Satzungen nicht automatisch zu deren Unwirksamkeit führen, solange sich die Rechtslage durch bloße Umstrukturierungen und Umbenennungen, nicht aber durch inhaltliche Änderungen verändert hat.
Zudem bekräftigt das Gericht die Differenzierung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum bei repressiven Erlaubnisvorbehalten und unterstreicht damit die Eigenverantwortung der Bürger, sich über bestehende Genehmigungserfordernisse zu informieren. Die Kernaussage dieser Entscheidung liegt in der rechtssicheren Bestätigung kommunaler Satzungsautonomie bei gleichzeitiger Betonung individueller Vorsatzverantwortung – eine balancierte, rechtsstaatlich überzeugende Auslegung des Umweltordnungsrechts.