Mit Beschluss vom 25. März 2025 (Az. 4 ORs 19/25) hat das Oberlandesgericht Hamm eine strafrechtlich wie zivilrechtlich bemerkenswerte Entscheidung gefällt, in der es die Voraussetzungen eines Vermögensschadens im Rahmen des Betrugstatbestands (§ 263 Abs. 1 StGB) in Zusammenhang mit einem Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) präzisiert. Im Zentrum des Verfahrens stand ein selbstständiger Kfz-Eigentümer, der trotz objektiver Zahlungsunfähigkeit eine Kfz-Reparatur in Auftrag gab – in der Hoffnung auf eine baldige Besserung seiner Lage. Die Entscheidung zeigt, wann ein vertraglich begründetes Pfandrecht zur Kompensation eines drohenden Schadens taugt – und wann gerade nicht.
Der Sachverhalt und die vorinstanzliche Entscheidung
Der Angeklagte hatte ein Auto bei einer Werkstatt zur Reparatur gegeben, obwohl er wusste, dass er nicht in der Lage sein würde, die Reparaturkosten von rund 2.350 Euro zu bezahlen. Seine finanzielle Lage war durch eidesstattliche Versicherung, Zwangsvollstreckungen und fehlende Einkünfte bereits erheblich angeschlagen. Gegenüber dem Werkstattinhaber machte er hierzu keine Angaben. Nach Ausführung der Arbeiten blieb die Zahlung vollständig aus.
Das Amtsgericht sprach den Angeklagten zunächst frei. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin verurteilte ihn das Landgericht Münster jedoch wegen Betrugs und ordnete zugleich die Einziehung des Wertes der Taterträge an. Der Angeklagte legte Revision ein und berief sich auf ein vermeintlich kompensierendes Werkunternehmerpfandrecht, das seiner Ansicht nach einen Vermögensschaden ausgeschlossen habe.
Die Entscheidung des OLG Hamm
Das Oberlandesgericht bestätigte die Verurteilung wegen Betrugs. Es folgte der Auffassung des Landgerichts, dass der Angeklagte durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit eine Vermögensverfügung erschlichen habe, die für die Werkstatt mit einem unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteil verbunden war. Dabei stellte der Senat klar, dass ein Werkunternehmerpfandrecht einen Vermögensschaden allenfalls dann ausschließen könne, wenn es als werthaltige Sicherheit zu qualifizieren sei.
Hierzu entwickelten die Richter konkrete Maßstäbe: Ein Sicherungsrecht ist nur dann als werthaltig im Sinne des Betrugstatbestands anzusehen, wenn es realistisch und ohne nennenswerten zeitlichen oder finanziellen Aufwand verwertet werden kann. Im Fall eines Kfz-Pfandrechts bedeutet dies, dass dem Unternehmer zusätzlich zur physischen Inbesitznahme des Fahrzeugs auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (ehemals Kfz-Brief) übergeben werden muss. Denn ohne dieses Dokument ist ein Verkauf des Fahrzeugs – etwa im Wege der öffentlichen Versteigerung – faktisch kaum möglich. Der Erwerber verlangt regelmäßig Einsicht in das Dokument, um sich von der Eigentümerstellung des Veräußerers zu überzeugen. Fehlt es daran, kann ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich nicht stattfinden.
Da im vorliegenden Fall keine solche Übergabe erfolgt war und die Werkstatt die Zulassungsbescheinigung auch nicht besaß, stand ihr die Verwertung des Pfandrechts nicht ohne Weiteres offen. Sie hätte die Herausgabe des Dokuments ggf. gerichtlich durchsetzen müssen, was mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden gewesen wäre. Insofern konnte das Pfandrecht das Zahlungsausfallrisiko nicht effektiv absichern – es stellte sich als wirtschaftlich minderwertig dar und war daher zur Kompensation des durch die Täuschung verursachten Schadens ungeeignet.
Rechtliche Tragweite
Das OLG Hamm stützt sich auf gefestigte strafrechtliche Grundsätze zur Bestimmung eines Vermögensschadens. Danach liegt ein solcher bereits vor, wenn ein Vertrag durch Täuschung zustande kommt und für den Vertragspartner eine konkrete Gefährdung des wirtschaftlichen Ausgleichs besteht. Die Entscheidung differenziert sauber zwischen der bloßen Existenz eines Pfandrechts und dessen tatsächlicher Verwertbarkeit. Maßgeblich ist demnach nicht, ob formal ein Sicherungsrecht besteht, sondern ob dieses in der konkreten Situation als reale Gegenleistung fungieren kann.
Diese dogmatische Trennschärfe ist auch zivilrechtlich von Bedeutung: Werkunternehmerpfandrechte werden häufig als ultima ratio zur Absicherung von Forderungen angesehen. Doch die Praxis zeigt, dass deren Effektivität in der Realisierung stark begrenzt sein kann – vor allem bei Fahrzeugen, wenn der Unternehmer nicht zugleich im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Die Entscheidung mahnt somit zur realistischen Einschätzung der wirtschaftlichen Werthaltigkeit solcher Rechte und wirft zugleich ein kritisches Licht auf die vertraglichen und praktischen Sicherungsmechanismen im Werkvertragsrecht.
Der Fall verdeutlicht eindrucksvoll, wie eng materielles Strafrecht und zivilrechtliche Sicherungsmechanismen miteinander verflochten sind – und wie entscheidend die praktische Wirksamkeit juristischer Institute für die rechtliche Bewertung sein kann. Dabei dürfte es nur eine Frage von Wochen sein, bis der Fall in juristischen Ausbildungsklausuren auftaucht!
Schlusswort
Die Entscheidung des OLG Hamm liefert eine sorgfältige und in ihrer Argumentation überzeugende Konklusion zur strafrechtlichen Bewertung wirtschaftlich leerlaufender Sicherheiten. Sie klärt, dass allein die Existenz eines Werkunternehmerpfandrechts keinen Vermögensschaden ausschließt, wenn es nicht ohne Weiteres verwertbar ist. Damit stärkt das Gericht den Vermögensschutz geschädigter Unternehmen und stellt zugleich hohe Anforderungen an die Einlassungen von Tätern, die sich auf vermeintliche Gegenwerte berufen wollen.
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