Man wundert sich durchaus, auf welche Ideen Gerichte kommen können: Der Bundesgerichtshof (1 StR 116/24) musste nun klarstellen, dass die Verwertung der dienstlichen Erklärung einer Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft gegen § 261 StPO verstößt – da die Beweiswürdigung grundsätzlich auf den während der Hauptverhandlung durchgeführten Beweiserhebungen und Einlassungen basieren muss. Dies betrifft insbesondere Beweismittel, die im direkten Verfahren der mündlichen Verhandlung durch Zeugenvernehmung oder Verlesung erhoben wurden.
Im vorliegenden Fall wurde die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft „im Rahmen einer dienstlichen Erklärung“ zu Angaben eines Zeugen gehört, der sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hatte. Die dabei eingeführten Informationen stammten aus einem anderen Strafverfahren, in dem die Sitzungsvertreterin ebenfalls involviert war. Die Einführung derartiger Erklärungen als Beweismittel ist unzulässig, weil sie nicht der Grundregel der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entsprechen. Das bedeutet, dass die Richter nur auf solche Beweise zurückgreifen dürfen, die sie selbst in der Hauptverhandlung unmittelbar erhoben haben:
Feststellungen, die für den Schuld- oder Strafausspruch (möglicherweise) von Bedeutung sein können, können allein nach den Regeln des Strengbeweises getroffen werden. Dienstliche Erklärungen des Richters über seine Erkenntnisse aus anderen Verfahren scheiden im Bereich des Strengbeweises als zulässige Beweismittel aus (…) Für entsprechende dienstliche Erklärungen des Staatsanwalts gilt nichts anderes.
BGH, 1 StR 116/24
Die dienstliche Erklärung der Staatsanwaltschaft erfüllt nicht die Anforderungen an ein zulässiges Beweismittel, da sie weder das Recht auf Konfrontation der Zeugen noch die Möglichkeit zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit und Verlässlichkeit der Aussagen durch das Gericht garantiert. Folglich wurde diese Beweisaufnahme zu Recht beanstandet und führte zur erfolgreichen Revision gegen das Urteil.
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