Beim Bundesgerichtshof (I ZR 126/19) ging es um die Erwartung des Verkehrs bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines zahnärztlichen Versorgungszentrums und der Bundesgerichtshof konnte hervorheben:
- Eine für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen oder für einen Kaufentschluss erhebliche Täuschung über die Verhältnisse des Unternehmens kann vorliegen, wenn nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs einem in der Firma enthaltenen Doktortitel entnehmen, dass ein promovierter Akademiker Geschäftsinhaber oder ein die Gesellschaftsbelange maßgeblich mitbestimmender Gesellschafter sei oder gewesen sei, und daraus herleiten, dass besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Genannten auf dem Fachgebiet des in Frage stehenden Geschäftsbetriebs die Güte der angebotenen Waren mitbestimmten;
- Der Doktortitel wird im Verkehr als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation angesehen, die über den Hochschulabschluss hinausgeht;
- Bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums bezieht sich die Erwartung des Verkehrs nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt;
Allerdings gelten hier besondere Umstände, weil es um die Verwendung des Doktortitels im Bereich gesundheitlicher Leistungen ging!
Aus der Entscheidung des BGH hierzu:
Mit Erfolg macht die Revision zudem geltend, das Berufungsgericht habe in seinem rechtlichen Maßstab nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Doktortitel im Verkehr als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation angesehen wird, die über den Hochschulabschluss hinausgeht.
(1) Ein solches – auch in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, GRUR 1990, 604 [juris Rn. 14] – Dr. S. – Arzneimittel) anklingendes – Verständnis des Doktortitels entspricht einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur weit verbreiteten Ansicht (…)
(2) Dem ist zuzustimmen. Der Doktortitel belegt nach der Lebenserfahrung – auch aus Sicht der breiten Öffentlichkeit – in besonderem Maße die Fähigkeit des Inhabers zu eigenständigem wissenschaftlichem Arbeiten. Auch wenn das Thema der Dissertation aus dem Doktortitel selbst nicht ersichtlich wird, kann die Öffentlichkeit davon ausgehen, dass die den Doktortitel führende Person sich mit einer umgrenzten Fragestellung aus dem Fachgebiet eingehend wissenschaftlich befasst hat und die Tiefe der hierbei erlangten Kenntnisse über das im Rahmen eines Hochschulstudiums zu erwartende Maß hinausgehen. Wurde die Promotion auf einem anderen Fachgebiet als dem der beruflichen Betätigung erworben, muss zur Vermeidung einer Irreführung im Verkehr regelmäßig zusätzlich die Fakultät angegeben werden (…). Die über den Hochschulabschluss hinausgehende Bedeutung des Doktortitels hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt.
ee) Darüber hinaus rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungsgericht die besondere Bedeutung des Doktortitels im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung im Rahmen des von ihm angelegten rechtlichen Maßstabs nicht hinreichend berücksichtigt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt es von der Art des Geschäftsbetriebs ab, ob sich die generelle Wertschätzung für den Doktortitel in einer für den Geschäftsverkehr erheblichen Weise auswirkt (…). Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung ausgeführt, es richte sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Gegenstand des Unternehmens, welche Bedeutung dem Doktortitel in einer bestimmten Firma zukomme. Bei seiner weiteren Prüfung hat es jedoch vernachlässigt, dass im Bereich der Gesundheitswerbung besonders strenge Anforderungen für den Ausschluss einer Irreführungsgefahr gelten (…). Diese gelten auch für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Firma eines Unternehmens, das gesundheitsbezogene Dienstleistungen anbietet.
ff) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass für die Bezeichnung eines zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums im Grundsatz dieselben Maßstäbe wie für die Firma der Trägergesellschaft gelten. Die Erwartung des Verkehrs bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines solchen Versorgungszentrums bezieht sich allerdings nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt. Dies folgt daraus, dass sich die Verbraucher noch immer am hergebrachten Leitbild des niedergelassenen selbstständigen Zahnarztes orientieren und dieses auf die noch verhältnismäßig neue Organisationsform des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums übertragen. Es kann auch nicht als beim Verkehr bekannt vorausgesetzt werden, dass ein Trägerunternehmen mehrere zahnärztliche medizinische Versorgungszentren betreiben darf. Dementsprechend erstrecken sich die von einem Doktortitel ausgehenden Erwartungen der Verbraucher auf die medizinische Leitung des Versorgungszentrums vor Ort.
Diese Funktion kommt dem sogenannten ärztlichen Leiter zu, der gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V in medizinischen Fragen weisungsfrei gestellt ist und somit die wesentliche Verantwortung für die Qualität der Patientenversorgung trägt. Wird für ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum eine Bezeichnung verwendet, die der Verkehr als Kürzel für eine promovierte ärztliche Leitung verstehen kann, bedarf es daher eines klarstellenden Hinweises, dass die ärztliche Leitung nicht über einen Doktortitel verfügt, soweit sich dies nicht mit hinreichender Klarheit aus anderen Umständen ergibt.
Bundesgerichtshof, I ZR 126/19
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