Ist der Käufer einer bestimmten Partie Ware zur Wandelung berechtigt, wenn die Ware zwar der ihr im Kaufvertrage beigelegten Bezeichnung, nicht aber dem übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden entspricht?
Sachverhalt:
Am 18. November 1916 verkaufte der Beklagte dem Kläger etwa 214 Faß Haakjöringsköd per Dampfer Jessica abgeladen à 4,30 M per Kilo cif Hamburg netto Kasse gegen Konnossement und Police. Ende November zahlte der Kläger dem Beklagten gegen Aushändigung der Dokumente den in den vorläufigen Fakturen berechneten Kaufpreis. Beim Eintreffen in Hamburg wurde die Ware von der Zentral-Einkaufsgesellschaft m.b.H. in Berlin beschlagnahmt und demnächst auch übernommen. Der Kläger machte geltend, die Ware sei ihm als Walfischfleisch verkauft worden, während sie Haifischfleisch sei. Als Walfischfleisch würde sie der Beschlagnahme nicht unterlegen haben. Der Beklagte, der vertragswidrige Ware geliefert habe, müsse ihm deshalb den Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem von der Zentral-Einkaufsgesellschaft gezahlten, erheblich niedrigeren Übernahmepreis erstatten. Er klagte auf Zahlung von 47515,90 M. Das Landgericht erklärte den Klaganspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt. Es stellte fest, daß beide Teile beim Vertragschluß angenommen hätten, Haakjöringsköd sei Walfischfleisch, und folgerte daraus, daß der Kläger, weil der Beklagte Haifischfleisch geliefert habe, den gezahlten Kaufpreis abzüglich des von der Zentral-Einkaufsgesellschaft empfangenen Übernahmepreises zurückfordern könne. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beklagten zurück, führte jedoch aus, daß der Klaganspruch seine Rechtfertigung nicht in den §§ 459, 467 BGB., sondern in den §§ 434, 440, 325, 327 das. finde. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
…“Wie das Oberlandesgericht bedenkenfrei festgestellt hat, sind beide Parteien beim Abschlusse des Vertrags vom 18. November 1916 irrigerweise davon ausgegangen, daß die den Gegenstand des Vertrags bildende, in sich bestimmte Ware – 214 Faß Haakjöringsköd, auf Dampfer Jessica verladen – Walfischfleisch sei, während die Ware in Wirklichkeit Haifischfleisch und als solches mit dem norwegischen Worte Haakjöringsköd, dessen Bedeutung die Parteien nicht kannten, richtig bezeichnet war. Diese Feststellung rechtfertigt jedoch die Auffassung nicht, daß, was verkauft gewesen, nämlich Haakjöringsköd, auch geliefert worden sei, und daß der Kläger, nachdem ihm durch Aushändigung der Konnossemente die Ware übergeben worden, den Kaufvertrag wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der verkauften Spezies gemäß § 119 Abs. 2 BGB. hätte anfechten können.
Aus der Feststellung folgt vielmehr, daß beide Parteien über Walfischfleisch abschließen wollten, daß sie sich aber bei der Erklärung ihres Vertragswillens irrtümlich der diesem Willen nicht entsprechenden Bezeichnung Haakjöringsköd bedient haben. Das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis ist daher ebenso zu beurteilen, wie wenn sie sich der ihrem Willen entsprechenden Bezeichnung Walfischfleisch bedient hätten (RGZ. Bd. 61 S. 265). Demgemäß war vertragsmäßig Walfischfleisch zu liefern, und der Kläger war, nachdem ihm Haifischfleisch geliefert worden, auf die in den §§ 459 flg. BGB. vorgesehenen Rechtsbehelfe angewiesen (RGZ. Bd. 61 S. 171). Denn der gelieferten Ware fehlte die Eigenschaft, Walfischfleisch zu sein, und wenn diese Eigenschaft auch vielleicht nicht als im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB. „zugesichert“ zu gelten hatte, so war sie doch jedenfalls so wesentlich, daß ihr Fehlen einen Sachmangel im Sinne des § 459 Abs. 1 darstellte. Der Kläger ist also zur Wandelung berechtigt und er kann infolgedessen von dem Beklagten einen – der Höhe nach noch festzustellenden – Geldbetrag fordern, der dem von ihm an den Beklagten gezahlten Kaufpreis abzüglich des ihm von der Zentral-Einkaufsgesellschaft gewährten Übernahmepreises gleichkommt (vgl. §§ 467, 346 flg. BGB).
Da vertragsmäßig nicht Haifischfleisch, sondern Walfischfleisch zu liefern war, so ist die Ausführung der Revision, daß der Beklagte durch Übergabe der Konnossemente seiner Vertragspflicht gegenüber dem Kläger völlig genügt habe (§§ 647 HGB., 433, 242 BGB.), ohne weiteres hinfällig. Sie würde es jedoch auch dann sein, wenn die Parteien in Wirklichkeit über Haifischfleisch abgeschlossen hätten, da Abschlüsse und Verfügungen über eine auf dem Transporte nach Deutschland befindliche und zur Einfuhr bestimmte Ware ganz ebenso gegen die Bundesratsverordnungen vom 17. Januar, 4. April und 30. September 1916 sowie gegen die Ausführungsbestimmungen vom 5. April, 18. Juni und 23. August 1916 verstießen, wie wenn sie nach Eingang der Ware im Inlande vorgenommen wären.
Eine andere Frage wäre allerdings die, ob alsdann mit dem Oberlandesgerichte die zu dem gleichen Endergebnis, wie die §§ 467, 459 führenden §§ 434, 440, 325, 327 BGB. für anwendbar zu erachten sein würden, oder ob nicht vielmehr, wie die Revision unter Hinweis auf das Urteil des Rechtsgerichts vom 15. Oktober 1918 III 203/18 geltend macht, der Vertrag vom 18. November 1916 nach § 306 BGB. nichtig und deshalb der Kläger auf den Bereicherungsanspruch beschränkt wäre (vgl. übrigens auch Warneyer 1918 Nr. 185). Gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts bestände jedenfalls das Bedenken, daß die Zentral-Einkaufsgesellschaft zu den zahlreichen „kriegswirtschaftlichen Organisationen“ gehört, denen der Bundesrat im öffentlichen Interesse „wichtige staatliche Aufgaben, vor allem hinsichtlich der Beschaffung des Heeresbedarfs und auf dem Gebiete der Volksversorgung übertragen“ hat (RGZ. Bd. 69 S. 107), und daß ihr die in den erwähnten Verordnungen bezeichneten Rechte nur im öffentlichen Interesse beigelegt worden sind. Die aufgeworfene Frage bedarf indes hier keiner Entscheidung, weil die Verordnungen sich auf Walfischfleisch nicht beziehen.“…
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